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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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mit dem Lümmel von Richard und Thea oder mit dem kleinen Biest, das Bruno Kleu seiner armen Frau ans Bein gebunden hat, dann ist er Gold wert.»
    Auch Trudes zweite Nachbarin Hilde Petzhold fand,er sei trotz allem ein hübscher Junge und habe ein gutes Gemüt. Und wenn Trude zum Internisten nach Lohberg fahren müsse, sie würde ihn gern für ein oder zwei Stunden betreuen. Hilde Petzhold hatte keine Kinder, zusammen mit ihrem Mann Otto bewirtschaftete sie einen der kleinen Höfe. Sie besaßen nur fünfzig Morgen. Manchmal bezeichnete Otto Petzhold seine Frau als taube Nuss. Und wenn er etwas getrunken hatte, sagte er auch schon mal: «Man hätte einiges vorher wissen müssen.» Hilde hatte nach Bens Geburt die meisten Kerzen vor dem Maria-Hilf-Altar angezündet.
    Sibylle Faßbender und die Rüttgers-Schwestern ließen sich zu mehr als einer zärtlichen Geste hinreißen, als Trude den nächsten Besuch im Café mit ihm riskierte. Sibylle nahm ihn mit in die Backstube, wo es keine Rolle spielte, wie er seinen Kuchen aß und ob er sein Hemd oder den Tisch damit beschmierte.
    Antonia Lässler, die seit jeher der Meinung war, das Beste für ein Kind sei der Umgang mit anderen Kindern, kam häufig am Samstagnachmittag, brachte ihre Söhne und die dreijährige Annette mit und verlangte, dass die Jungs mit Ben spielten. Aber mit einem Fußball, einem Fahrrad oder Rollschuhen wusste Ben, obwohl er schon sechs war, nichts anzufangen. Die kleine Annette begeisterte ihn. Und Antonia hatte nichts dagegen, wenn er sich mit ihrer Tochter beschäftigte.
    Trude warf den einen oder anderen Blick aus dem Küchenfenster. Einmal sah sie Ben auf dem Boden liegen, Annette saß auf seinem Bauch, kitzelte ihn an den Rippen, und beide Kinder lachten. Einmal sah sie, wie er Annette hoch nahm, sie mit beiden Armen an seine Brust drückte und gleich wieder auf den Boden stellte, als sie zu strampeln begann.
    Harmlose Spiele, mehr und mehr gelangte Trude zuder Einsicht, dass Ben bei aller Unberechenbarkeit harmlos war. Als Renate Kleu im Februar 80 den Kinderwagen mit ihrem zweiten Sohn auf den Hof schob, um Trude einen Blick auf den vier Wochen alten Heiko zu gönnen, hätte Trude bereits ihre Hand für Ben ins Feuer gelegt und war auch überzeugt, dass er ihr aufs Wort gehorchte.
    Er schaute mit staunender Miene auf das Baby. Trude sah ihm an, dass es ihn in den Fingern juckte. Doch es reichte ein «Finger weg!». Er schob beide Hände auf den Rücken und nickte ernsthaft.
    Renate fragte: «Wie machst du das nur, dass er dir so gut gehorcht? Ich wünschte, ich hätte so viel Glück bei Dieter. Stell dir vor, gestern hat er das Baby geschlagen.»
    «Das würde Ben nie tun», sagte Trude. «Streicheln möchte er den Kleinen wohl gerne mal. Aber mit seinen schmutzigen Fingern muss das nicht sein.»
    Nur wenn Thea Kreßmann mit Albert erschien, hatte Trude ein ungutes Gefühl. Albert lief wie ein überdrehter Kreisel vor der Scheune herum, wo Trude die Sache vom Küchenfenster aus nicht im Auge behalten konnte. Sie hörte nur Alberts Stimme: «Mach mal, Ben.»
    Und Ben machte – jeden Unsinn nach, den Albert ihm vorführte. Er hüpfte auf einem Bein, bis er der Länge nach in den Dreck fiel und Albert sich vor Lachen krümmte. Er schlug sich mit einem Stein auf die Finger, weil er nicht gesehen hatte, dass Albert bei den eigenen Fingern danebenschlug. Er donnerte seinen Kopf gegen das Scheunentor, weil Albert sagte: «Jetzt spielen wir Rammbock.»
    Wenn Thea von Zeit zu Zeit ins Freie ging, um zu prüfen, ob Albert die Sache bisher heil überstanden hatte – immerhin war er mehr als einen Kopf kleiner und erheblichschmächtiger als Ben   –, fand Trude, man müsse sich eher um Ben sorgen. Sie sah es nicht gerne, wenn er mit Albert zusammen war.
    Da brachte sie ihn lieber für eine Stunde nach nebenan zu Hilde Petzhold, obwohl die ihm immer als Erstes seine Puppe aus dem Arm nahm. Hilde fand, ein so großer und kräftiger Junge sollte mit anderen Dingen schmusen, und legte ihm jedes Mal die graugetigerte Mutterkatze in den Schoß.
    Mehrfach machte Trude ihre Nachbarin darauf aufmerksam, dass Ben seit dem Erlebnis in der Scheune panische Angst vor Katzen hatte. Hilde tat jeden Hinweis und jede Bitte ab. «Sie tut ihm nichts, und er weiß das auch. Nicht wahr, Ben, das ist eine feine Katze, eine liebe Katze ist das.»
    Ben saß wie versteinert auf Hildes Couch, schielte abwechselnd sehnsüchtig zu seiner Puppe hin und argwöhnisch auf die Katze,

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