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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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das freie Feld, weit und breit war nichts von ihm zu sehen. Bei Antonia war er auch nicht. Im Dorf nach ihm suchen wollte Trude nicht aus Furcht, zu viel Aufsehen zu erregen.
    Sie rannte zurück und rief im Café Rüttgers an. Niemand hatte Ben gesehen. Inzwischen war es vier vorbei und er seit mehr als einer Stunde unterwegs. Auch die Anrufe bei Illa von Burg und Renate Kleu halfen nicht weiter. Illa und Renate versprachen, die Augen nach ihm offenzuhalten und ihren Männern nichts von seinem Ausflug zu erzählen.
    Von einem Anruf bei Thea Kreßmann versprach Trude sich nichts. Abgesehen davon, dass dann samstags das ganze Dorf gewusst hätte, dass Trude ihren Sohn unbeaufsichtigt gelassen hatte, lag der neue Kreßmann-Hof mehr als einen Kilometer vom entgegengesetzten Ortsrand entfernt.
    Trude wusste nicht weiter, lief zwischen Hoftor und Garten hin und her, schaute die Straße oder den Feldweg entlang und machte mit ihrem Rufen nur die alte Gerta Franken aufmerksam. Eine Weile leistete Hilde Petzhold ihr im Garten Gesellschaft. Dann ging Hilde weiter, um nach ihrer trächtigen Katze zu suchen, die ebenfalls einen Moment der Unachtsamkeit genutzt hatte, zu entwischen.
    «Ich weiß, wie das ist», sagte Hilde. «Ich bin auch oft unterwegs. Und wie oft habe ich schon eine gefunden. Mal hat man sie mir überfahren, mal hat einer seinen Hund draufgehetzt, vergiftet und erschossen hat man mir auch schon ein paar. Und wenn ich zur Polizei gehe, werde ich ausgelacht. Aber du solltest vielleicht doch mal auf der Wache anrufen. Ich meine, was willst du Jakobsagen, wenn er heimkommt und Ben immer noch nicht da ist?»
    Trude wusste nicht, was sie Jakob sagen sollte. Sie wusste nur, dass sie die Polizei nicht anrufen wollte. Da war die Bemerkung, die Thea Kreßmann nach Bens Besuch im Café Rüttgers gemacht hatte. «Du kannst froh sein, dass das so glimpflich abgelaufen ist. Es hätte ihn nur der Richtige sehen müssen, als er allein unterwegs war, Erich Jensen zum Beispiel. Was Erich dir erzählt hätte, kann ich mir lebhaft vorstellen.»
    Das konnte Trude auch. In seiner freundlich-gönnerhaften Art, mit der er jedem Menschen das Gefühl purer Anteilnahme vermittelte, hätte Erich garantiert gesagt: «Trude, ich weiß, dass ein Mensch allein mit der Betreuung solch eines Kindes überfordert ist. Du hast ja auch noch etwas anderes zu tun. Ich halte es für das Beste, wenn du ihn in ein Heim gibst. Das wäre für dich eine große Entlastung.»
    Das war die eine Seite. Die andere war der Instinkt, vielleicht eine Art sechster Sinn, genährt von dem Huhn am Vormittag. All die unausgesprochenen Ängste, von denen sie in den letzten Monaten gedacht hatte, sie seien übertrieben gewesen. All die fast vergessenen Befürchtungen, dass er etwas anstellte, was sie nicht im Küchenherd verbrennen konnte.
    Kurz nach fünf tauchte er wieder auf. Wo er sich herumgetrieben hatte, brachte Trude nie in Erfahrung. Er war völlig verdreckt und mit Blut beschmiert. In einer Hand hielt er die Wasserpistole, in der anderen einen blutigen Fleischbrocken, an dem Trude ein Stück von einem graugetigerten Katzenfell erkannte.
    Zuerst sah sie nur diesen Brocken und das Blut, fühlte ein heißes Würgen in der Kehle, stürzte hinaus und übergab sich neben der Küchentür. Sie plagte sich mit entsetzlichenGewissensbissen, dass sie ihn bei der Schlachtung an ihrer Seite gehalten und damit möglicherweise auf die Idee gebracht hatte, sich ein ihm Furcht einflößendes Tier vom Leib zu schaffen.
    Während sie würgte und nach Atem rang, legte er den blutbesudelten Fleischbrocken auf den Küchentisch, leerte den Inhalt seiner Taschen und legte alles dazu. Als Trude hinschaute, lagen mitten auf dem Tisch zwischen diversen Organteilen ein paar ungeborene Kätzchen und ein mit Perlmutt besetztes, blutverschmiertes Taschenmesser.
    Er schaute Trude erwartungsvoll an. Als sie zögernd zurück in die Küche kam, erklärte er in bestimmtem Ton: «Finger weg!» Anschließend erkundigte er sich: «Fein macht?»
    Trude schüttelte den Kopf, konnte gar nicht aufhören damit. «Nein», sagte sie endlich, die Stimme belegt und ein wenig kratzig. «Nein, das hast du nicht fein gemacht. Das war sehr böse.»
    Und dann, Trude wusste selbst nicht, wie es kam, wo sie sich doch geschworen hatte, ihn nie zu schlagen, griff sie nach seinem Arm, riss ihn mit dem Bauch über ihr vorgestrecktes Knie und verabreichte ihm eine Tracht Prügel, die Jakobs Strafaktionen nicht

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