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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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nachstand. «Wenn du das nochmal tust!», schrie sie. «Wenn du das nochmal tust!» Zu mehr als dem halben Satz reichte es nicht. Sie ließ erst von ihm ab, als er wimmernd und kreischend von ihrem Knie rutschte und sich auf dem Boden zusammenrollte wie ein getretener Wurm.
    Trude ließ ihn erst einmal liegen, räumte den Küchentisch ab und schrubbte ihn, bis ihr die Finger schmerzten. Dann zog sie Ben vom Boden hoch und zerrte ihn hinter sich her die Treppe hinauf ins Bad. Erst als sie ihn auszog, erkannte sie, dass das Blut nicht nur von der Katze stammte.
    An Händen und Unterarmen hatte er unzählige Kratzer. Sein Hemd und die Hose waren an mehreren Stellen eingerissen. Wären der Fleischbrocken und das Gekröse nicht gewesen, hätte Trude angenommen, er hätte sich in Gerta Frankens Brombeeren gewälzt. Auf seinem Rücken fand sie einen roten Striemen quer über die Schulterblätter gezogen. Es sah nach einem Schlag mit einer Peitsche oder einem ähnlichen Gegenstand aus.
    Sie steckte ihn in die Badewanne und verarztete all die Kratzer mit Jod. Dann verbrannte sie Hemd und Hose im Küchenherd und versuchte in Erfahrung zu bringen, wo er mit Hilde Petzholds Katze aneinandergeraten war, warum er dem Tier so etwas angetan und wo, um alles in der Welt, er das Taschenmesser gefunden hatte. Es war ein teures Stück, zum Haushalt gehörte es auf keinen Fall. Aber viel brachte sie nicht aus ihm heraus. Jede Frage beantwortete er mit einem schniefenden, zittrigen «Finger weg.».
    Als Jakob und die Mädchen am Abend heimkamen und Jakob eine Erklärung für Bens zerkratzte Hände und Arme forderte, sagte Trude: «Er hat sich in Gertas Garten herumgetrieben und sich in den Brombeeren verfangen. Aber ich schätze, das wird ihm eine Lehre sein.»
    Jakob glaubte das, und Trude verging fast vor Furcht, dass es einen Zeugen gegeben hatte. Der Striemen auf Bens Rücken sprach dafür. So hoch oben hatte sie ihn nicht geschlagen, außerdem hatte sie nur die Hand benutzt.

20.   AUGUST 1995
    Am frühen Sonntagnachmittag wurde das Gewimmel beim Bendchen und beim Bruch dichter. Die Suchaktion brachte das halbe Dorf auf die Beine. Die meisten nutzten ihre Neugier für einen ausgedehnten Spaziergang mit der Familie. Zu nahe heran wagte sich niemand. Da aus hundert Metern Entfernung nichts von Bedeutung zu sehen war, traten sie schließlich den Rückzug an, fanden sich im Café Rüttgers zusammen und diskutierten die Ereignisse.
    Auch Bruno und Renate Kleu saßen mit ihrem jüngsten Sohn an einem der Tische. Der fünfzehnjährige Heiko prahlte mit einer weiteren Zeugenaussage seines Bruders. Er redete so, als habe Dieter Kleu die Polizeiaktion veranlasst – was den Tatsachen entsprach, doch davon später.
    Als Bruno daraufhin ein Loblied auf seinen Sohn sang, konnte sich einer der anderen Cafégäste die Frage nicht verkneifen, ob der wichtige Zeuge Dieter Kleu mit den beiden fremden Männern vielleicht bloß ein Ablenkungsmanöver gestartet hatte, damit niemand auf die Idee kam, ihn selbst genauer unter die Lupe zu nehmen.
    Es war ein offenes Geheimnis, dass Dieter Kleu ein überaus reges Interesse an Marlene Jensen gezeigt hatte. Er war nicht der Einzige. Das bildhübsche Mädchen hatte unter der männlichen Dorfjugend mehr als einen Kreislauf in Wallung gebracht. Im Gegensatz zu anderen jedoch, die es bei schmachtenden Blicken oder anzüglichen Bemerkungen beließen – wie Albert Kreßmann, der wiederholt erklärt hatte, mit Annettes Cousinchen würde er auch gerne mal Verstecken spielen   –, trat Dieter Kleu häufig in die Fußstapfen seines Vaters.
    Nur drei Wochen zuvor hatte Maria Jensen sich ausgerechnetbei Thea Kreßmann beschwert. Wenn das so weiterginge, müsse sie ein ernstes Wort mit Renate Kleu reden, damit Renate ihren Ältesten anwies, seine Finger gefälligst in die eigene Hose zu stecken und nicht ständig junge Mädchen zu belästigen, die nichts mit ihm zu tun haben wollten.
    Man erinnerte sich im Dorf auch noch lebhaft an Brunos Jugendsünden. Jeder wusste, dass Bruno seine Frau, die sich damals nicht auf Anhieb für ihn entscheiden konnte, nur durch eine wüste Prügelei erobert hatte. Wie die alten Germanen hatte er auf einen jungen Mann eingedroschen, der für Renate entflammt war und ihr jeden Sonntag vor der Eisdiele in Lohberg eine einzelne Rose überreichte. Doch nachdem Bruno ihn sich vorgeknöpft hatte, gab sich das mit der Romantik, und die heiße Liebe zu Renate erlosch in dem jungen Mann sozusagen

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