Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
nie registriert, was Ben mit den Kartoffeln veranstaltete, für Jakob war das nur sinnlose Schnippelei. Aber ein Foto zeigen   … Sie hatten die Zeitungen mit den Fotos weggeräumt, er ebenso wie Trude. Warum? Nur aus Gewohnheit?
    Jakob nahm sich vor, über dieses Warum und diverse Gewohnheiten mit Trude zu reden. Waren sie etwa beide überzeugt gewesen, Ben könne Marlene Jensen anhand der Fotos wiedererkennen? Und wenn er sie wiedererkannt hätte, was wäre daran schlimm gewesen? Er hätte vermutlich Fein gesagt – bei seinem Gedächtnis und der Tatsache, dass er Marlene Jensen im letzten November bei der Hochzeit von Pauls und Antonias ältestem Sohn gesehen hatte. Nicht nur gesehen, Antonia hatte ihm erlaubt, über das Haar ihrer Nichte zu streichen.
    Es war Jakob nicht recht gewesen. Einem wie Ben waren von Natur aus Grenzen gezogen. Es war nicht gut, ihm zu zeigen, dass man diese Grenzen in Ausnahmefällen überwinden durfte. Er konnte die Ausnahmen nicht von anderen Fällen unterscheiden.
    Antonia hatte gesagt: «Nun hab dich nicht so, Jakob. Ich bin doch dabei.» Im November – ja. In der Augustnacht dagegen hatte Antonia in ihrem Bett gelegen und friedlich geschlafen, während ihre Nichte   …
    Auch wenn Jakob es nicht denken wollte, er dachte es. Nur einmal angenommen, Klaus und Eddi sagten die Wahrheit. Sie hielten ihr Auto an, warfen Marlene raus. Lukkas Bungalow lag wie ein dunkler, verlassener Klotz an der Ecke. Und da war der Mais. Für Marlene Jensen hätte es in der Nacht keinen Grund gegeben, Freundlichkeit zu heucheln. Nur einmal angenommen, sie hätten Ben eines der Fotos gezeigt, und er hätte gesagt: «Rabenaas.»
    Jakob konnte nicht weiterdenken. Der Entschluss, mit Trude zu reden, lag ihm plötzlich wie ein Stein im Magen. Ben war zweiundzwanzig Jahre alt. In dem Alter, das wusste Jakob noch aus eigener Erfahrung, war man nicht mehr nur auf Freundlichkeit aus. Da juckte es einen mächtig in der Hose.
    Wie sollte Trude das nachvollziehen können? OderSibylle Faßbender, die Konditorin, die nie etwas mit einem Mann gehabt hatte und für Ben ihre Hand ins Feuer legte? Oder Antonia, die nie einsehen würde, was sie unter Umständen heraufbeschworen hatte mit ihren lockeren Ansichten?

FREUNDSCHAFTSDIENST
    Als Paul Lässler im Frühjahr 69 seine zehnjährige Verlobung mit Heidemarie von Burg löste, um noch im selben Monat Antonia Severino zu heiraten, schlug man im Dorf die Hände über dem Kopf zusammen. Jeder halbwegs vernünftige Mensch musste sich zwangsläufig fragen, was der an und für sich besonnene, stets ein wenig phlegmatisch wirkende und nur in seltenen Fällen aufbrausende Paul mit dieser quirligen Italienerin wollte.
    Zwar war Antonia lediglich in Italien geboren und schon kurz nach der Geburt mit ihren Eltern nach Lohberg umgesiedelt. Sie hatte außerdem in all den Jahren auch die Wintermonate in der Stadt verbracht und war insgesamt nur dreimal in ihrem Leben nach Italien gereist, aber das änderte nichts an ihrer Nationalität. Und man wusste doch, was für ein heißblütiges und leichtlebiges Volk diese Südländer waren.
    Hinzu kam der Altersunterschied. Zwanzig Jahre trennten Paul von seiner Frau. Da hätte er sich auch im Kindergarten umsehen können, meinten einige. Darüber hinaus hatte Antonia als Tochter eines Eisdielenbesitzers nichts weiter gelernt, als Eisbällchen zu formen und in Waffeln oder in bunt bedruckte Pappbecher zu drücken. Dabei hatte sie sämtlichen jungen Burschen schöne Augen gemacht.
    Und auf so was fiel Paul herein. Holte dreimal seine Schwester aus der Eisdiele ab und vergaß von einer Nacht auf die andere sämtliche Verpflichtungen den Eltern und seiner langjährigen Braut gegenüber. Vergaß völlig, dass ein Hof wie der seine eine Frau brauchte, die zupacken konnte und vor keiner Dreckarbeit zurückschreckte. Zu dem Zeitpunkt hatte sein Vater das Anwesen leider schon auf ihn überschrieben, weil Pauls älterer Bruder in Russland gefallen war und das Nesthäkchen Maria nur Flausen im Kopf hatte.
    Es gab nur wenige im Ort, die Verständnis aufbrachten, dass auch einen schwerblütigen und geduldigen Mann einmal die Leidenschaft packen und nicht wieder loslassen konnte. Jakob gehörte zu den wenigen. Er wusste, dass Heidemarie von Burg die Ehe und die damit verbundenen Pflichten scheute wie eine Katze das Wasser.
    Mehr als einmal hatte Paul seinem Freund Jakob in leicht alkoholisiertem Zustand sein Leid geklagt. Ein Spaziergang am

Weitere Kostenlose Bücher