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Der Purpurkaiser

Titel: Der Purpurkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbie Brennan
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wollte Pyrgus in plötzlicher Panik wissen.
    »Ruhe jetzt!«, fauchte Gnoma. »Ihr habt mir befohlen, es zu tun. Also lasst es mich tun!« Die Schere durchschnitt den Stoff, als wären es Spinnweben.
    Der nackte Rücken des Kaisers kam zum Vorschein. Pyrgus starrte auf die Schmetterlingstätowierungen, die auch er inzwischen trug.
    Gnoma griff nach einem Skalpell.
    »Was machen Sie?«, flüsterte Pyrgus.
    »Das Licht herausholen«, sagte Gnoma knapp. Er stieß dem Kaiser das Skalpell ins Rückgrat.
     
    Es handelte sich um einen kleinen Knochen, der ungefähr so groß wie ein Daumenglied und wie ein Wirbel geformt war, aber ohne die typischen Auswüchse. Er schimmerte weiß, jetzt, wo Gnoma ihn abgewischt hatte.
    »Das ist es?«, fragte Pyrgus staunend.
    Gnoma hielt den Knochen zwischen Daumen und Zeigefinger. Seine Augen leuchteten. »Seht«, sagte er leise. Er machte zwei Schritte durch den Raum und legte den Knochen sanft auf den Amboss. Dann zog er eine der unteren Schubladen des Alchimistenschranks auf und holte einen großen, kurzstieligen Hammer heraus. Um den Metallkopf wanden sich Energiefelder wie Schlangen.
    Gnoma sah kurz zu Pyrgus, dann ließ er den Hammer mit solcher Gewalt herunterkrachen, dass Pyrgus’ Herz einen Schlag aussetzte. Es krachte wie Donner. Gebundene Blitze prasselten aus dem Hammerkopf.
    »Nein – «, rief Pyrgus gellend. Er machte einen Satz, wollte dazwischengehen.
    Der Amboss zerbarst unter der Wucht des Schlages. Gnoma warf den Hammer beiseite und bückte sich, wühlte seelenruhig in dem Metallschrott. Er hielt den Knochen hoch, immer noch in einem Stück, unbeschädigt. »Das Licht ist unzerstörbar«, sagte er.
    Pyrgus trat vor, um den Knochen zu untersuchen. Er hatte nicht einmal einen Kratzer abbekommen.
    »Dieses Knochens bedient Gott sich, wenn Er jemanden am Tag des Jüngsten Gerichts auferstehen lässt«, flüsterte Gnoma.
    Pyrgus schloss die Augen.
    »Dieses Knochens bediene ich mich jetzt«, sagte Gnoma, »um Euren Vater auferstehen zu lassen.«
     
    Pyrgus hörte die fernen Schritte und gewaltige Angst kroch in ihm empor.
    In Ermangelung eines Stuhls kauerte er auf einer alten Weidenkiste in einem Raum, der bis oben hin mit verstaubten Theaterrequisiten voll gestopft war. Lebensgroße Marionetten lagen schlaff wie Leichen unter ihren losen Fäden. Ein paar Truhen standen herum, auf die in groben Strichen Flammen gemalt waren. Von der Wand starrten ihn dekorative Masken ausdruckslos an. Der Raum lag ebenerdig. Gnoma zufolge war es gefährlich, den Toten unter der Erde zu begegnen.
    Die Schritte erreichten die Treppe und verstummten. Eine winzige Sekunde lang verspürte er einen Anflug von Erleichterung, dann knarrte Holz, als jemand – etwas? – die Treppe betrat.
    Was kam da die Treppe herauf?
    Gnomas Wohnung war unübersichtlich. Nicht nur das Wohnzimmer im Keller und das tiefer gelegene unterirdische Labor, auch das Erdgeschoss des Hauses war ein Gewirr von Fluren und Gemächern, von denen die meisten verdächtigerweise verriegelt waren. Dieser theaterhafte Lagerraum roch nach Ruß und Schmutz und schimmerte nun hinter dem wässrigen Tränenvorhang, der sich hartnäckig vor Pyrgus’ Augen befand.
    Was hatte er getan?
    Es waren nicht einmal mehr zwei Wochen bis zu den Krönungsfeierlichkeiten und danach gab es kein Zurück. Niemand hatte eine Ahnung, was für ein Gefühl das war. Henry nicht, Mr Fogarty nicht, nicht einmal Blue. Alle erwarteten von ihm, dass er seine Pflicht tat. Alle gingen davon aus, dass er Kaiser werden wollte. Niemand kannte seine Angst.
    Obwohl diese Angst nichts gegen den Schrecken war, den er jetzt spürte.
    Was hatte er getan?
    Er konnte nicht Kaiser werden. Er hatte keinerlei Talent dafür, kein bisschen. Sie glaubten alle, nur weil er der Sohn seines Vaters war, wäre er auch geeignet, in dessen Fußstapfen zu treten. Aber Pyrgus und sein Vater hatten sich über alles gestritten. Über buchstäblich alles.
    Das Problem war, dass Pyrgus Politik nicht ausstehen konnte. Er konnte die Lügen und die Listen nicht ausstehen, die Betrügereien und die Bestechungen. Zugleich war ihm klar, dass man ohne sie in der hohen Politik nicht überleben konnte. Selbst sein Vater, ein Mann der Ehre, war mitunter zu fragwürdigem Handeln gezwungen gewesen. Aber sein Vater war wenigstens skrupellos genug gewesen, es als Teil seiner Aufgabe zu akzeptieren. Pyrgus wusste, dass er dazu nie in der Lage sein würde. Er würde versuchen, an seinen Idealen

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