Der purpurne Planet
ein Konservenfrühstück gereicht, da die Benutzung der Küche in der jetzigen Lage zwar nicht unmöglich, aber doch sehr unbequem geworden war und man sich deshalb darauf geeinigt hatte, nur die Mittagsmahlzeiten regelrecht zuzubereiten. So saßen sie alle in ihren Sitzen und kauten, nur Uwe hatte sich auf den Rand des Armaturenpults gesetzt und fragte zwischen zwei Bissen: „Und wo können die Ursachen für die höhere Strahlung liegen?“
Auch die anderen, die ja einen Teil von Erichs Ausführungen mitgehört hatten, warteten jetzt gespannt auf seine Antwort.
„Ich sehe zunächst drei mögliche Ursachen: erstens den Energiehaushalt der Proxima, zweitens ihren Ort auf der Bahn, drittens die Stellung von Toliman I und II. Es ist auch möglich, daß sich hier mehrere Ursachen überlagern. In dem Fall wäre das Ereignis noch seltener und dürfte nur einmal in…zig Millionen Jahren auftreten. Na ja, aber Endgültiges – wie gesagt…“
Uwe sah, daß besonders Irina und Erika, die in astronomischen Fragen nur eine kurze Ausbildung genossen hatten, an diesem Thema interessiert waren. Er fragte deshalb: „Kannst du das noch etwas genauer erklären?“
„Na – genau ist wohl hier ein unpassendes Wort. Sagen wir mal, sehr grob vereinfacht. Also erstens: Auch unsere Sonne unterliegt Schwankungen in der Abstrahlung mit einer Periode von etwa elf Jahren. Diese Schwankungen werden wahrscheinlich von anderen mit einer Periode von vielen Jahren überlagert. Selbst das ist noch nicht genau bekannt.
Zweitens bewegt sich die Proxima bekanntlich auf einer elliptischen Bahn in dreihundertsechsundsiebzigtausend Jahren einmal um die anderen beiden Komponenten des Dreifachsterns Alpha Centauri, nämlich um Toliman I und II. Nun ist die Anziehungskraft größer, wenn die Proxima sich auf dem Teil ihrer Bahn befindet, der dem gemeinsamen Schwerpunkt näher liegt. Das wird ausgeglichen durch eine höhere Bahngeschwindigkeit, aber die Gezeitenwirkung ist natürlich in Nähe des Schwerpunkts größer, und das kann wieder mit der Abstrahlung zusammenhängen.
Zum dritten umkreisen Toliman I und II einander einmal in etwa achtzig Jahren. Dabei differiert die Anziehung wieder um eine Winzigkeit, je nach ihrer Stellung zur Proxima. Das allein könnte wahrscheinlich nicht solche Folgen in der Abstrahlung hervorrufen, aber es kann mit den anderen Gründen zusammenwirken. Alles das muß genau erklärt werden, bevor man sich endgültig zu einer umfassenden Besiedlung des RELAIS entschließt.“
Erich blickte nachdenklich drein. Uwes Fragen hatten viel weiter geführt, als er anfangs gedacht hatte. Er hatte seih Leben doch der Besiedlung dieses Planeten gewidmet! Wie kam er dazu, sie jetzt in Frage zu stellen? Und was bezweckte der Kommandant damit, daß er ihn zu dieser Konsequenz provozierte?
Offenbar gar nichts, denn Uwe schloß jetzt das Thema ab: „Wir wollen uns dieses Problem für später aufheben, denn jetzt kommen wir damit sowieso nicht weiter. Machen wir uns an die Arbeit. Bis es Tag wird und wir uns die Umgebung ansehen können, muß folgendes erledigt sein: Michael und ich führen die technische Kontrolle durch. Irina prüft die Lebensbedingungen: Atmosphäre, Druck, Temperatur, Klima, mikrobiologische Komponente – darunter auch die Luftproben, die während der Landung genommen wurden. Erika analysiert die Funk-, Radar-, Infrarot- und optischen Beobachtungen, vor allem auch die automatisch protokollierten. Erich – sehr wichtig – vervollständigt seine planetologischen Vorstellungen über den Zustand des RELAIS, die beiden Frauen leiten ihm dazu alle Ergebnisse ihrer Untersuchungen zu. Alles klar? Dann los!“
Uwe und Michael wechselten in die Zentrale über, suchten sich dort auf dem Rand des Tisches und auf der Lehne eines Sitzes die am wenigsten unbequemen Positionen und begannen die langweilige, aber gerade deshalb äußerste Konzentration erfordernde technische Kontrolle.
„Antriebssystem Totale?“
„Antriebssystem Totale ohne Befund.“
„Reaktor Brennzone Neutronenstrom?“
„Reaktor Brennzone Neutronenstrom Sollwert.“
„Reaktor Brennzone Moderatoren…“
Als Uwe und Michael in das Cockpit zurückkehrten, waren die drei anderen noch in angeregter Diskussion. Alles war überflutet vom tiefroten Licht der aufgehenden Proxima. Das Glühen nivellierte in allen Farben, Erikas grüne Kombination sah schwarz aus… Schwarz? Uwe stutzte, lächelte dann leicht, sah, daß niemand sein Stutzen bemerkt
Weitere Kostenlose Bücher