Der purpurne Planet
medizinisches Phänomen oder ein Führungsproblem handelt oder vielleicht um beides. Aber wir haben es ja nun bald überstanden. Heute werden wir alles sachlich auswerten, und morgen oder übermorgen stoßen wir auf die RELAIS-Leute. Dann werden wir klarer sehen, denn die müssen ja nun ihren Planeten besser kennen.“
„Warum habt ihr mich nicht geweckt?“ fragte Erika, die in diesem Augenblick in das Cockpit kam. „Kinder, habe ich einen Muskelkater!“ stöhnte sie und reckte sich dabei.
„Aber sonst ist wieder alles in Ordnung?“ fragte Uwe in freundlichem Ton.
„Wieso, was denn?“ fragte Erika verwirrt zurück.
„Komm, setz dich mal hin“, sagte Irina sanft. „Nun hör mir mal zu und erschrick nicht. Du hattest gestern abend einen – einen kleinen Nervenzusammenbruch, offenbar weißt du davon gar nichts mehr?“
„Ich?“ fragte Erika ungläubig. „Ich weiß nur nicht, wie ich ins Bett gekommen bin, ich muß ja entsetzlich müde gewesen sein. Aber sonst fühl ich mich doch pudelwohl, au!, bis auf den Muskelkater natürlich.“
„Und Hunger hast du auch?“
„Wie ein Rudel Wölfe!“
Irina gab Michael mit den Augen einen Wink, und der ging auch sofort hinaus und kam darauf mit einem Tablett wieder, das voller nahrhafter, aber leicht verdaulicher Speisen war.
„Und was macht Erich?“ fragte Irina weiter.
„Ach, der ist nicht wach zu kriegen.“
„So?“ fragte Irina gedehnt. „Na, dann iß erst mal tüchtig.“ Sie erhob sich und ging hinaus. Uwe folgte ihr.
Sie standen beide an Erichs Bett. „Fällt dir etwas auf?“ fragte Irina.
„Ja, er liegt immer noch, wie wir ihn gestern abend hingelegt haben. Er hat sich auch nicht bewegt, solange ich die Nachtwache hatte, auch jetzt nicht, als wir Licht gemacht haben. Erika dagegen hat sich ein paarmal umgedreht, wie das normal ist.“
„Puls, Temperatur und Atmung sind normal“, stellte Irina fest. Sie versuchten ihn zu wecken. Er reagierte nicht.
„Ich muß ein EEG von ihm haben“, sagte Irina entschlossen. „Ich hole das tragbare Gerät.“
Nachdenklich betrachtete sie nur wenig später das Papierband, das sie dem Gerät entnommen hatte. Da wurde die Tür aufgerissen, und Erika stürzte herein, gefolgt von einem zerknirscht aussehenden Michael.
„Was ist los, was ist mit Erich?“ fragte sie ängstlich. „Michael hat mir erzählt, und da ist mir erst klargeworden…“
„Ihr habt mich mit ihr allein gelassen, und sie hat mich gefragt, und da habe ich eben…“, sagte Michael reuevoll.
„Schon in Ordnung!“ Uwe winkte ab.
„Tja, was los ist, weiß ich auch nicht“, sagte Irina, „fest steht, daß wir ihn jetzt wach kriegen sollten. Er muß essen. Nein, so hat es keinen Zweck!“ wehrte sie Erika ab, die ihren Mann an den Schultern rüttelte. „Da scheinen irgendwelche Nervenbahnen blockiert zu sein.“
„Aber warum bin ich aufgewacht, und er…“
„Ja, warum du?“ fragte Irina und sah Erika nachdenklich an. „Du hattest gestern abend einen Schock… ja, das wird das beste sein. Uwe und Michael, baut in der Zentrale so etwas wie eine Hängematte! Ich bereite alles andere vor.“
„Was willst du tun?“ fragte Erika.
Irina studierte schon wieder das EEG. „Ich gebe ihm einen leichten Sauerstoffrausch und dann eine Serie gezielter Elektroschocks. Keine Angst, schädlich können sie nicht sein, dazu sind sie zu schwach.“
Die Behandlung half. Erichs Schlaf wurde unruhig, und eine Stunde später erwachte er, ebenfalls hungrig wie ein Wolf und ebenfalls mit einem fürchterlichen Muskelkater.
Nachmittags saßen wieder alle im Cockpit zusammen. Draußen regnete es ununterbrochen, das schöne Wetter am Vortage war wohl ein Ausnahmefall gewesen, ein Vorbote des Frühlings vielleicht, denn diese Jahreszeit mußte nach ihren Berechnungen hier bald anbrechen, kalendarisch gesehen, denn im übrigen würde sie wohl mit dem irdischen Lenz wenig gemeinsam haben. Sie hatten die Beleuchtung eingeschaltet, und alle fühlten sich wieder wohl.
„Ihr müßt uns jetzt alles noch einmal ganz genau erzählen, bis in die kleinste Einzelheit, damit wir dahinterkommen, was mit euch los war, denn sonst geht es den nächsten Pfadfindern genauso oder schlimmer!“ forderte Uwe die beiden Braunes auf.
Systematisch wurden alle Einzelheiten durchgesprochen, aber es ergab sich kein Anhaltspunkt. Das Elektrogras konnte auch nicht die Ursache sein, denn erstens hatte nur Erika es berührt, und zweitens war die Entladung so schwach
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