Der purpurne Planet
Eileen. Sie blieb stehen und sah sich einen Ballen des Krauts näher an. Es schien ihr, als habe es einen anderen Farbton. Irdische Augen – und auch die Augen der älteren Gefährten, die noch auf der Erde aufgewachsen waren – hätten hier sicherlich keinen Unterschied gefunden, aber für sie gab es nach nochmaligem Betrachten keinen Zweifel mehr. Sie schaltete die Helmleuchte ein, und nun wurde es ganz deutlich: Dieser Fladen zeigte unter weißem Licht ein helleres Grün. Sorgfältig nahm sie eine Probe für die Biologen mit und kehrte dann zum Wagen zurück.
Zeit, sich zu melden, dachte sie. Vorsichtig bugsierte sie den Wagen aus dem Tal in das Vorland, bis die „Melone“ in Sicht kam, eine runde Kuppe in der Mitte des Gebirges, auf der ihr Bruder Tom zur Zeit meteorologische Messungen anstellte. Für sie war dieser Hügel zugleich die Funkbrücke nach Neu-Rostock, der Station.
Eileen verband ihren Helm mit dem Funkgerät des Wagens und schaltete ein. Sie wollte eben ihren Ruf aussenden, als sie fremde Stimmen hörte, leise, verzerrt, wie ihr schien, mühsam ausgesprochene Worte, eine Männerstimme und eine Frauenstimme, aber die Männerstimme verstummte, die Frauenstimme sprach nur noch zu sich selbst, nur noch Satzfetzen. Funkfeuer, Funkrakete hörte Eileen heraus. „Hallo!“ rief sie, „hallo, melden Sie sich!“
Aber dann vernahm sie nur noch keuchende Atemzüge und schließlich gar nichts mehr.
„Was ist?“ meldete sich Tom beunruhigt, er hatte offenbar Eileens erregten Ruf empfangen.
Eileen atmete tief, eine Flut von ungestümen Gedanken und Gefühlen drohte, ihr den Kopf zu sprengen. Sie bezwang mit Mühe ihre Aufregung.
„Eileen, melde dich!“ hörte sie noch einmal die Stimme Toms.
„Ja, ich bin hier, am Ausgang des Roten Tals. Tom…“ Wieder versagte ihr die Stimme.
„Was ist los, ist etwas nicht in Ordnung? Bist du verletzt?“
„Nein, Tom, es ist alles in Ordnung, aber – halt mich nicht für verrückt, ich habe Stimmen gehört, menschliche Stimmen, nicht von unseren Leuten – fremde!“
„Fremde Stimmen?“ fragte Tom gedehnt und fast ungläubig. Dann aber, plötzlich aufgeregt, rief er: „Warte, ich rufe Vater!“
Eileen hörte, wie er über Funk die Station rief und Vater verlangte, sie hörte, wie er mit Vater sprach, und dann, nach einem kurzen Knacken, hörte sie auch die vertraute, tiefe Stimme: „Berichte, mein Mädchen!“
Eileen berichtete, was sie vernommen hatte.
„Du hast sie auf eurer Welle gehört?“ fragte der Vater zurück. Eileen bestätigte.
„Das ist die Standardwelle für den Helmfunk, also haben sie nicht vom Raumschiff aus gesendet. Und du hattest den Eindruck, daß es ihnen nicht gut ging?“
„Ja, sie hörten meinen Ruf nicht. Ich glaube, sie sind in die Schönwetterfalle gelaufen.“
„Ja, das ist möglich. Warte mal, laß mich nachdenken. Wenn Fremde hier sind, muß auch ein Raumschiff hier sein. Funkrakete und Funkfeuer sollen sicherlich das Raumschiff herbeirufen und einweisen. Sie haben deutsch gesprochen?“
„Ja – das ist mir gar nicht aufgefallen.“
„Andernfalls wäre es dir bestimmt aufgefallen. Es ist also wahrscheinlich, daß sie von unserer irdischen Arbeitsgruppe ausgesandt sind, die hatte schon damals vorwiegend deutsche Mitarbeiter und war ja auch in Rostock stationiert, das wird sich wohl erhalten haben. Aber dann sind sie sicherlich… Ja, so wird es sein. Sie sind an unserem ehemaligen Landeplatz gelandet, haben die Zeichen gefunden und verstanden, und um das Raumschiff nicht zu gefährden, schicken sie jeweils Kundschafter vor, die einen brauchbaren Platz zum Zwischenlanden suchen sollen. Wo werden sie jetzt sein? Tom, du hast sie nicht gehört?“
„Nein, die Melone liegt wahrscheinlich in ihrem Funkschatten.“
„Wartet mal, ich hole eine Karte. Eileen, versuch inzwischen das Funkfeuer zu empfangen, vielleicht auf einer der folgenden Frequenzen…“
Er nannte eine Reihe von Frequenzen, auf denen früher Raumschiffe gesendet hatten, als er – noch auf der Erde – ausgebildet wurde. Eileen drehte ein paarmal am Schalter des Wagenfunks – und dann empfing sie ganz klar ein leises, aber deutliches Zirpen. Sie atmete auf, bis jetzt war sie selbst noch ungläubig gewesen, hatte die Befürchtung, einer Halluzination unterlegen zu sein. Jetzt aber…, hier, das war der Beweis!
Zugleich mit dem Glücksgefühl stieg jedoch die Sorge in ihr auf. Die beiden Fremden brauchten Hilfe, dringend, schnell! Wo
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