Der Putzteufel geht um
mir eine Tasse Tee gemacht und bin ins Bett gegangen. Habe nicht mehr telefoniert und nichts. Und was ist der Lohn dafür? Ich bin schuldig – ich soll eine Mörderin sein!«
»Ich bin ganz sicher, daß du dir völlig unnötig Sorgen machst«, sagte ich lahm, denn ich wußte, daß ich an ihrer Stelle langsam anfangen würde, mich von meinen Bekannten und Verwandten zu verabschieden. »Man kann dich doch nicht mit dem Tatort in Verbindung bringen, wenn du gar nicht dort warst.« »Ach Liebes, du bist so naiv.« Buntys unglaublich blaue Augen füllten sich mit Tränen. »Woher willst du wissen, ob Joe nicht ein paar Haare von mir bei den Leichen verteilt hat? Oder ob Marilyn nicht absichtlich ein Taschentuch vergessen hat, auf dem B.W. steht? Wenn sie das mit Trina wußte, hätte sie auch über mich Bescheid wissen können. In Büchern passiert so etwas jedenfalls andauernd. Natürlich« – Buntys Miene hellte sich ein wenig auf – »weiß ich nicht, ob Marilyn lesen kann.« Sie seufzte wieder und packte meinen Arm. »Ellie, du mußt mir helfen.« »Wie denn?«
»Mann, was weiß ich.« Sie stand auf, streifte durch die Küche, entdeckte die Schüssel mit den restlichen roten Beeten und knabberte ein paar Scheibchen. Dabei tropfte ihr der Saft auf die Hände. »Oh, igitt – Ellie, schau, das sieht aus wie Blut! Ich glaube, jetzt knalle ich wirklich durch.« Sie drehte den Wasserhahn auf, wusch sich die Hände und ließ sich dann entmutigt gegen das Becken sinken. »Du bist meine Freundin, Ellie. Du mußt mir aus der Patsche helfen. Ich verlasse mich auf dich. Mir ist scheißegal, wie du es machst. Von mir aus geh und sag, daß du es getan hast. Mist!« Sie schaute auf die Wanduhr. »Ich muß zur Arbeit zurück. Sonst wandere ich noch bettelarm ins Gefängnis, und arme Leute werden dort immer besonders mißhandelt.« »Bunty, ich bin sicher, daß alles wieder in Ordnung kommt.« Ich schlich hinter ihr her zur Haustür.
»Wahrscheinlich.« Sie schaffte es mit großer Anstrengung, ihren hübschen Mund wieder zu einem Lächeln zu verziehen. »Ich bin ja auch nur hierhergekommen, damit du mich aufrichtest, nachdem Lionel dabei so jämmerlich versagt hat. Zum Teufel mit ihm! Ich will ihn nie wiedersehen.« Nachdem sie sich verabschiedet hatte, stand ich noch eine Weile herum und betrachtete die Tür, die sich hinter ihr geschlossen hatte. Ich überlegte, ob ich Lionel anrufen sollte, um ihm klarzumachen, daß er ihr wenigstens juristisch beistehen müsse.
Dabei fuhr mir plötzlich ein anderer Gedanke durch den Kopf. Ich raste hinter Bunty her. Im Hof hatte ich sie eingeholt. »Bunty!«
»Ja?« Sie drehte sich so abrupt um, daß wir zusammenstießen. »Tu mir einen Gefallen.« »Was?« Sie trat ein paar Schritte zurück. »Benutze deine Kontakte im Immobiliengeschäft und finde heraus, warum die Geschwister Miller, Clarice Whitcombe und Tom Tingle nach Chitterton Fells gezogen sind.« »Ich wüßte nicht, wie mir das helfen sollte.« Bunty zog einen Flunsch. Dann zuckte sie die Achseln. »Na gut, wenn es für dich von Bedeutung ist, gebe ich Mr. Ward heimlich eine Schlaftablette und wühle in den Akten.«
Nachdem Bunty endgültig über den Kiesweg davongeflattert war, ging ich ins Haus zurück. Ich war fest entschlossen, meine Handtasche aufzuspüren und mich zu Mrs. Malloy zu begeben, ehe ich abermals aufgehalten würde. Nach einer Weile hatte ich die Tasche unter einem Sofakissen im Salon hervorgekramt. Als ich in der Küche gerade darüber nachdachte, ob ich auch den Regenmantel mitschleppen sollte, wurde die Hintertür mit einem Knall aufgestoßen – und hereinspazierte Mrs. Malloy. Im Schlepptau hatte sie Betty Nettle.
»Nanu, wohin des Weges, Mrs. H.? Und dann auch noch so feingemacht!« Soviel zu der Frau, die ich vor meinem inneren Auge tot in ihrem Wohnzimmer hatte liegen sehen. Im übrigen waren meine Schuhe nur an den Absätzen ein bißchen abgelaufen, und mein Kleid war immerhin sauber und gebügelt. Ihre Garderobe hingegen tat einem in den Augen weh. Sie trug ein knallrotes Brokatkleid mit schwarzem Satinbesatz und Knöpfen aus Rheinkiesel. Der Hut, der auf ihrem Kopf thronte, war mit einem kleinem Netzschleier bestückt und schwarz wie der einer trauernden Witwe. Mrs. Nettle hingegen steckte in etwas unauffällig Dunklem, so wie es sich für die Freundin von Mrs. Malloy geziemte. Allerdings machte sie nicht den Eindruck, als würde sie ständig die zweite Geige spielen – nicht mit den wieselflinken Augen
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