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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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er sei kein richtiger Jude, weil er eben keine Bar Mitzwa gehabt hatte.»
    «Aber Sie haben ihm doch sicher erklärt …»
    «Aber hier will er sich endgültig niederlassen», fuhr Maltzman rasch fort. «Rohrbough will er nicht wieder abstoßen. Er will das Werk selber leiten und sich ein Haus bauen und hier wohnen. Er möchte Einwohner von Barnard’s Crossing werden. Als er das sagte, habe ich ihm vorgeschlagen, unserer Synagoge beizutreten, und da hat er mir das mit der Bar Mitzwa gestanden. Ich wollte ihm gerade sagen, das spiele keine Rolle, da erzählt seine Frau, sie habe von einem alten Mann in Kalifornien gehört, der seine Bar Mitzwa noch mit siebzig Jahren gefeiert hat, ob er denn das nicht auch tun könnte. Und da hatte ich ihn dann – den Trick!»
    «Den Trick?»
    «Ganz recht. Seit dem Tag, an dem ich Vorstandsvorsitzender wurde, und sogar schon vorher, habe ich nach einem Trick gesucht, nach einem Trick, der die Synagoge attraktiv macht. Wenn man jemandem etwas verkaufen will, braucht man einen bestimmten Trick. In meiner Branche, als ich anfing, Häuser zu verkaufen, waren es gekachelte Bäder mit Duschnischentüren aus Glas. Wenn man ein Haus an der Hand hatte, das solide gebaut war, mit schönen, sonnigen Zimmern in guter Lage, dann war das alles nicht attraktiv genug, wenn es kein gekacheltes Bad hatte. Das war der Blickfang. Hatte es kein gekacheltes Bad, war das Ding nicht an den Mann zu bringen. Na ja, nach einiger Zeit hatten alle Häuser gekachelte Bäder, also musste man mit einem anderen Trick winken. Da kamen die gekachelten Küchen auf. Und dann die Küchen mit Holzschränken. Und dann Hobbyräume. Dann eingerichtete Kellerräume mit Bar. Verstehen Sie? Als ich dann Vorstandsvorsitzender der Synagoge wurde und feststellte, dass wir mehr Mitglieder brauchten, überlegte ich mir, was für ein Trick sie wohl für uns gewinnen würde. Ich hab mir ständig den Kopf zerbrochen. Und dann erzählt Mrs. Segal von diesem alten Mann mit seiner Bar Mitzwa, und ihr Mann ist interessiert, und da habe ich meinen Trick.
    Er will eine Bar Mitzwa? Na wunderbar, wir geben ihm eine. Wir laden alle Juden der ganzen Stadt ein, ob sie Gemeindemitglieder sind oder nicht. ‹Sie sind herzlichst eingeladen zum Gottesdienst und der Bar Mitzwa von Benjamin Segal.› Wir könnten’s in Braun machen. Er würde die üblichen Worte sprechen …»
    «Heute bin ich ein Mann?»
    Maltzman grinste. «Na ja, warum nicht? Ich möchte wetten, dass er mitmacht. Dann halte ich als Vorsitzender eine kleine Ansprache und überreiche ihm, wie allen Bar Mitzwa-Kindern, ein Gebetbuch. Sie geben ihm Ihren Segen und sprechen ebenfalls, wie üblich, ein paar Worte. Anschließend geben wir ihm dann in der Sakristei eine Party, damit er die anderen kennen lernt. Ich finde sogar, wir könnten ihm, als kleiner Gag, ein paar Füllfederhalter schenken …»
    «Füllfederhalter?»
    «Ach so, das war wohl vor Ihrer Zeit. Aber als ich ein Junge war, waren Füllfederhalter das beliebteste Geschenk für einen Bar Mitzwa-Jungen. Nicht Kugelschreiber, sondern die mit der Goldfeder, die man selbst aus einer Tintenflasche füllt. Wissen Sie, der Junge kam dann bald auf die High School, und da brauchte er das. Sie kosteten zwischen zwei und fünfzehn bis zwanzig Dollar, also waren sie auch ein recht anständiges Geschenk. Gott, als ich die Bar Mitzwa hatte, habe ich mindestens ein halbes Dutzend bekommen. Am nächsten Tag trug ich sie alle in der Brusttasche und sah damit aus wie der Portier im Russian Samovar . Segal ist so alt wie ich, daher wird er sich erinnern und seinen Spaß daran haben.»
    «Ich verstehe.»
    «Also abgemacht?»
    «Nein, keineswegs, Mr. Maltzman. Ich hege nicht die Absicht, bei einem Gag mitzumachen. Mr. Segal hatte seine Bar Mitzwa, als er dreizehn war, ob ihm das bewusst war oder nicht. Ein spezieller Ritus oder ein Ritual ist nicht erforderlich. Das Ganze geht automatisch vor sich. Im Gegensatz zur christlichen Taufe. Es handelt sich nicht um die Einführung in eine Religion oder einen Stamm. Das ist bei uns die Beschneidung. Wenn Mr. Segal sich der Religion seiner Väter noch einmal weihen lassen will, wäre es sinnvoller, wenn er sich noch einmal beschneiden ließe.»
    «Das ist doch verrückt!»
    Der Rabbi nickte. «Aber das wäre wenigstens logisch einigermaßen gerechtfertigt. Die Bar Mitzwa dagegen bedeutet lediglich, dass der Junge volljährig ist, also vorgeblich reif genug, die Verantwortung für seine Taten und

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