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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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würde ich ’ne Nadel in den Klingelknopf stecken, wie wir es früher als Kinder an Halloween getan haben.»
    «Wahrscheinlich ist er gar nicht da.»
    «Nein, sehen Sie sich doch die Tür an. Sie ist nur angelehnt. Das würde er bestimmt nicht machen, wenn er fort ginge. Man könnte ohne weiteres hinein.»
    Er ging zur Tür, und sie folgte ihm. Er drückte auf die Klingel und hörte es drinnen läuten.
    «Sehen Sie? Die Klingel funktioniert. Man hört’s sogar hier draußen, nicht wahr?»
    Er nickte und klingelte abermals. Während sie warteten, erklärte sie: «Ich wette, er beobachtet uns und wartet nur, bis ich fort bin.»
    Er schüttelte ungeduldig den Kopf. Dann fasste er plötzlich einen Entschluss, stieß die Tür auf und trat ein. Martha folgte ihm auf den Fersen. Es dauerte einen Moment, bis ihre Augen sich nach der hellen Morgensonne draußen an das Dämmerlicht drinnen gewöhnt hatten, wo die Fenstervorhänge noch geschlossen waren. Erst das Summen einer dicken Schmeißfliege lenkte ihren Blick auf Ellsworth Jordon, der wie schlafend in seinem Lehnsessel lag. Nur, dass an der Nasenwurzel, mitten zwischen seinen Augen, eine hässliche Wunde leuchtete, aus der das Blut zu beiden Seiten der Nase bis in die Mundwinkel hinabgeflossen war.
    Martha schrie. Gore presste die Lippen zusammen und unterdrückte das Bedürfnis, sich zu übergeben.
    «Er ist verletzt!», stöhnte sie. «Der Ärmste ist schwer verletzt! Warum tun Sie denn nichts?»
    «Halten Sie den Mund!», fuhr er sie an. Ohne sich von der Stelle zu bewegen, blickte er sich im Zimmer um, sah eine zerbrochene Medizinflasche, die Scherben einer zerplatzten Glühbirne, die durchlöcherte Leinwand des Ölporträts von Jordons Vater an der Wand.
    «Wir müssen die Polizei anrufen», flüsterte er heiser. «Ich warte hier. Sie steigen in Ihren Wagen und fahren zur Ecke. Da ist eine Telefonzelle.»
    «Können wir nicht von hier aus anrufen?», fragte sie.
    «Fingerabdrücke», erwiderte er knapp. «Vielleicht gibt es Abdrücke auf dem Hörer.»
    Sobald sie fort war, zwang er sich, auf die Gestalt im Lehnsessel zuzugehen. Mit den Fingerspitzen berührte er die eiskalte Stirn und wischte sich die Finger am Hosenbein ab. Unvermittelt fiel ihm Billy ein. «Billy?», rief er laut. «Sind Sie da, Billy?» Als keine Antwort kam, kicherte er erleichtert.
    Er ging aus dem Zimmer und verließ das Haus, zog die Tür hinter sich zu, sorgte aber dafür, dass das Schloss nicht ganz einschnappte. Als er zu seinem Wagen ging, um auf das Eintreffen der Polizei zu warten, kam ihm ein völlig verrückter Gedanke: dass jetzt niemand mehr beweisen konnte, wer die Wette vom Abend zuvor gewonnen hatte.

22
    Während seine Männer im Wohnzimmer arbeiteten, fotografierten, maßen und nach Fingerabdrücken suchten, saß State Detective Sergeant McLure mit einem Polizeistenografen in der Küche – weil es dort einen Tisch gab, auf dem man schreiben konnte – und vernahm Gore. Lanigan und Eban Jennings, sein Lieutenant, hatten ihren Gefechtsstand im Esszimmer eingerichtet, wo sie Befehle ausgaben und Meldungen von ihren Untergebenen entgegennahmen.
    Sie waren gerade mit der Einvernahme von Martha Peterson fertig, die sehr niedergeschlagen und verweint war, und hatten sie nach Hause geschickt.
    «Glauben Sie ihr die Geschichte, dass die Zimmertür des Jungen abgeschlossen war?», fragte Jennings. «Glauben Sie wirklich, dieser Jordon würde einen jungen Mann von achtzehn Jahren einschließen wie ein Lehrer, der einen Jungen in die Ecke stellt?»
    Lanigan zuckte schweigend die Achseln.
    «Obwohl er wusste, der Junge würde aus dem Fenster klettern?»
    «Das klingt so verrückt, dass es wahr sein könnte», erwiderte Lanigan. «Vielleicht weiß Gore etwas darüber. Wir werden ihn fragen, sobald McLure mit ihm fertig ist.»
    «An diesem Fall wirkt einfach alles verrückt, Hugh.»
    «Wie meinen Sie das?»
    «Nun ja, dieser Jordon soll doch angeblich Millionär sein, nicht wahr?»
    «So heißt es jedenfalls in der Stadt. Darüber werden wir von Gore vermutlich auch Näheres erfahren. Aber weshalb?»
    «Nun, finden Sie das hier nicht merkwürdig für einen Millionär?»
    «Wie meinen Sie das?»
    «Also nehmen wir mal das Esszimmer. Sauber ist es, aber die Vorhänge sind ziemlich verschossen, und diese Stühle sind ganz schön abgewetzt. Im Wohnzimmer ist es genau dasselbe.»
    «Das kommt vermutlich davon, wenn man eine Haushälterin hat statt eine Ehefrau», meinte Lanigan. «Eine Ehefrau

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