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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Herzanfall gehabt hat, hätte Jordon dann nicht versucht, davonzulaufen und sich zu verstecken, nachdem jemand auf ihn zu schießen versucht hatte?»
    «Woher sollte er einen Herzanfall bekommen haben?», fragte der Arzt.
    «Nehmen wir an, er schlief», meinte Jennings. «Hätte ihn dann nicht der erste Schuss geweckt?»
    «Vermutlich.»
    «Na, und hätte er davon nicht einen Herzanfall kriegen können, so aufzuwachen und zu sehen, dass jemand auf ihn schießt?»
    «Nun gut», konzedierte der Arzt. «Aber was soll’s?»
    «Dann wäre er tot gewesen, bevor er tatsächlich von dem letzten Schuss getroffen worden wäre», sagte Jennings triumphierend.
    «Wenn man einen Herzanfall hat, stirbt man nicht sofort», erklärte der Arzt. «Und einen Unterschied würde das auch nicht machen. Denn es wäre immer noch Mord, ob er nun starb, weil er getroffen wurde, oder aus Angst, weil jemand auf ihn schoss.»
    «Das mag sein», erwiderte Lanigan. «Aber der Verteidiger kann dann mit ein paar ganz schönen Haken und Ösen kommen. Können Sie bei der Autopsie die Todesursache genau feststellen?»
    «Das möchte ich bezweifeln. Wenn eine längere Zeit vergangen wäre zwischen dem ersten Schuss, der in ihm Angst und somit einen Herzanfall hätte auslösen können, und dem letzten, der ihn tatsächlich traf, könnte man es vielleicht feststellen – eventuell an der Menge der Blutung. Aber so, wie die Dinge hier liegen, muss der Mörder die Schüsse in schneller Folge abgegeben haben, etwa wie eine Frau, die mit geschlossenen Augen zielt und dann losballert, bis die Waffe leer ist. Dann lägen nur Sekunden zwischen dem ersten und dem letzten Schuss, und ich glaube kaum, dass man bei der Autopsie etwas finden würde. Und was den Schuss angeht, der ihn getroffen hat …» Er zuckte die Achseln. «Kann sein, dass er in diesem Lehnsessel lag und von den Schüssen erwachte. Er beugt sich vor, um aufzustehen, bekommt die Kugel zwischen die Augen, und der Aufprall schleudert ihn wieder zurück.»
    «Können Sie das am Aufschlagwinkel feststellen?», fragte Lanigan.
    «Glaube ich kaum», antwortete der Arzt. «Die Kugel wird durch den Knochen abgelenkt worden sein, und außerdem wissen wir nicht, ob er lag oder saß, und in welchem Winkel.»
    «Na, sehen Sie mal, was da zu machen ist. Was ist übrigens mit der Todeszeit?»
    Der Arzt lächelte. «Oh, die kann ich ihnen genau nennen. Es war Punkt zwanzig Uhr neunundzwanzig.»
    «Wie können Sie …» Dann begann der Chief auch zu lächeln. «Ach so, die Uhr! Aber nehmen wir an, die Uhr wäre nicht von einer Kugel getroffen worden?»
    Der Arzt lächelte breit. «Dann würde ich sagen, zwanzig Uhr dreißig.»
    «Oh, ein Witzbold!», stöhnte Jennings.
    Der Arzt grinste. «Ich geb ihnen Nachricht, sobald ich mit der Autopsie fertig bin.»

23
    «Aber es ist Sabbat», protestierte Miriam.
    «Es ist wirklich wichtig», entgegnete Mrs. Mandell. «Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Ich dachte, ich würde verrückt.»
    «Hat es denn nicht Zeit bis morgen?»
    «Nein, auf gar keinen Fall! Ich muss ihn heute sprechen.»
    «Tja, im Augenblick ist er zur Morgenandacht in der Synagoge, und …»
    «Ach ja, natürlich.» Sie ließ sogar eine Spur von Sarkasmus anklingen. «Ich will ja auch nicht, dass Sie rüberlaufen und ihn aus dem Gottesdienst holen, aber ich wollte nur ganz sichergehen, dass er heute Nachmittag zu mir kommt. Ich meine, ich wollte früh genug anrufen, bevor er andere Termine verabredet.»
    «Der Rabbi verabredet am Sabbat keine Termine, Mrs. Mandell. Er arbeitet nicht am Sabbat, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall.»
    «Ja, aber dies ist ein Notfall.»
    «Na schön, ich werd’s ihm sagen, sobald er nach Hause kommt.» Miriam legte auf, verärgert und empört, und wünschte, David hätte es sich, wie die meisten seiner orthodoxen Kollegen, von vornherein zur Regel gemacht, am Sabbat das Telefon nicht abzunehmen.
    Obwohl das Gebot, die Kranken zu besuchen und zu trösten, allen Juden auferlegt worden war, erwartete die Gemeinde von ihrem Rabbi, dass er diese Funktion für sie übernahm und gönnte ihm die Anerkennung für diese mitzwe von Herzen. Ein Altruismus, von dem Rabbi Small nicht sehr viel hielt.
    Rabbi Small versuchte sich gar nicht erst einzureden, dass er diese seelsorgerischen Krankenbesuche gern machte. Aufgrund seiner angeborenen Zurückhaltung, fand er, sei er nicht der Richtige dafür. Es fiel ihm schwer, die gezwungene Munterkeit an den Tag zu legen,

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