Der Rabbi schoss am Donnerstag
schön», sagte Gore ergeben. «Ich war zum Abendessen eingeladen.»
«Gehen Sie oft hin?», erkundigte sich Jennings.
«Nein. Bis dahin nur einmal, vor ein paar Monaten. Aber Jordon ging fast jeden Donnerstagabend in den Club, den Agathon , und wenn ich auch hin wollte, holte ich ihn ab und brachte ihn wieder nach Hause. Er fuhr nicht gern selbst, vor allem nicht im Dunkeln. Aber dann hielt ich nur vor der Tür und hupte, und dann kam er raus. Aber gestern rief ich ihn an, um ihm zu sagen, dass ich das Peter-Archer-Silber zum Museum nach Boston bringen wollte – sicher haben Sie davon gehört –, und dass es die letzte Gelegenheit sei, wenn er wollte, dass seine Suppenterrine ausgestellt wurde.
Er sagte mir, ich könne sie abholen, und lud mich zum Dinner ein.»
Gore erzählte seine Geschichte ohne weitere Unterbrechungen. Dabei ging er zwar sehr ins Detail, erwähnte aber nichts von Mollys Fahrt zu Jordons Haus, weil er es ja nicht persönlich gesehen hatte, und außerdem war das ja gewesen, nachdem der Mord geschehen war. Erst als Gore fertig war, begannen sie ihn auszufragen.
«Als Sie wegfuhren, war da der Junge noch auf seinem Zimmer?», erkundigte sich Lanigan.
«Jordon hatte ihn nicht herausgelassen», antwortete Gore achselzuckend. «Und da er nicht mehr da ist, muss er irgendwie ausgerissen sein …»
«Woher wissen Sie das?», fragte Jennings rasch.
«Als ich heute Morgen herkam, rief ich nach ihm. Und bekam keine Antwort. Dann habe ich an seine Tür geklopft und gelauscht …»
«Haben Sie sie geöffnet?»
«Natürlich nicht», sagte Gore. «Das hätte bedeutet, Beweismittel zu zerstören, und …»
Lanigan unterbrach ihn. «Sie meinen also, da er ausgerissen ist, hätte er das jederzeit tun können, vielleicht sogar, während Sie noch da waren und sich mit dem Alten unterhielten?»
«Möglich wäre es», gab Gore zu.
«Was wissen Sie über ihn», fragte Lanigan.
Gore breitete die Hände aus, um Nichtwissen anzudeuten. «Nicht viel. Jordon sagte mir, er habe Probleme, und wollte nicht, dass er zu hart rangenommen wurde. So hat er’s ausgedrückt. Was für Probleme, hat er nicht gesagt. Der Junge hat die höhere Schule absolviert und keine Vorstrafen, deswegen habe ich ihn genommen. Er schien mir ein guter Kerl zu sein, obwohl er sehr in sich gekehrt war. Ich wüsste nicht, dass er Freunde hier in der Stadt hätte. Er hat seine Arbeit gut gemacht, und ich mochte ihn. Von seiner Familie und seiner Vergangenheit hat er nie etwas erzählt. Vielleicht hat Jordon ihm gesagt, dass er nichts erzählen soll. Aber ich habe auch nicht weiter gefragt. Ach ja, einmal sagte er, sein Vater sei im Krieg gefallen. Da er zu alt war, um während des Vietnamkriegs geboren zu sein, und nicht alt genug, um während des Koreakriegs geboren zu sein, fragte ich ihn, in welchem Krieg. Und er sagte, im Suez-Feldzug. Also, das war, als England und Frankreich Israel gegen Ägypten halfen. Sicher, sein Vater hätte auch Engländer oder Franzose sein können. Aber er hätte auch Israeli sein können, und da ich Jordons Einstellung den Juden gegenüber kannte, habe ich nicht weiter gefragt.»
«Wie war seine Einstellung den Juden gegenüber denn?», fragte Lanigan.
«Ich bin Bankier», sagte Gore, «für mich ist das Geld des einen so gut wie das des anderen. Deswegen spreche ich nie über Religion, und mit Jordon hab ich das auch nicht getan. Ein- oder zweimal habe ich ihm Vorwürfe gemacht, weil es mit seinen Geschäftsinteressen kollidierte, zum Beispiel, als er ein Grundstück nicht abgeben wollte, das die Leute von der Synagoge gerne gekauft hätten, oder einmal, als Henry Maltzman einen Kunden für ein Stück Land hatte. Aber dann sagte er immer nur, er denke nicht daran, es ihnen noch leichter zu machen. Ich glaube, er mochte sie einfach nicht.» Er lächelte. «Das hat ihn aber nicht daran gehindert, meine Sekretärin gelegentlich zu belästigen, obwohl er wusste, dass sie Jüdin ist. Sie hat ihn als schmutzigen, alten Mann bezeichnet.»
«Ist das die, die Sie auf dem Weg nach Boston angerufen haben?», erkundigte sich Jennings.
«Hm-hm.»
«Na schön.» Lanigan blickte von den Notizen auf, die er sich gemacht hatte. «Ich glaube, das wär’s. Ach ja, was ist mit dem Revolver?»
«Das ist einer von den dreien, die ich für die Bank gekauft habe, je einen für jede Kasse.»
«Wieso?», fragte Jennings. «Ich dachte, so was machen die Banken heutzutage nicht mehr. Ich dachte, die hätten jetzt bewaffnete
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