Der Rabbi schoss am Donnerstag
war. Na ja, da lag der Revolver …»
«Junge, Sie haben den falschen Beruf ergriffen», sagte McLure. «Sie hätten stellvertretender District Attorney werden und vor einer Jury plädieren sollen. Ist Ihnen klar, dass Sie kein einziges Faktum haben, um Ihre Story zu beweisen?»
«Nun, da wären diese vielen Schüsse», entgegnete Lanigan. «Und die Tatsache, dass sie am nächsten Morgen gleich wieder dort war und die Leiche als Erste entdeckte.»
«Ach so, Sie spielen auf den alten Spruch an, dass es den Verbrecher an den Ort seiner Tat zurückzieht!», sagte McLure sarkastisch.
«Mit der geheimnisvollen Anziehungskraft, die ein Tatort für den Verbrecher haben mag, kenne ich mich nicht aus, aber mir scheint doch, wenn ich am Abend zuvor in der Hitze der Emotionen einen Mann erschossen und dann Angst bekommen habe und davongelaufen bin, würde ich, sobald ich wieder klar denken kann, schon dorthin zurückkehren, um nachzusehen, ob ich vielleicht etwas fallen gelassen habe, ein Taschentuch etwa, das mich verraten könnte.»
«Nun ja …»
«Und vergessen Sie nicht, wie wir ihn gefunden haben: in seinem Lehnsessel. Wenn jemand anders gekommen wäre, sollte man meinen, er wäre aufgestanden und hätte die Tür geöffnet. Doch als es klingelt, und er fragt, wer es ist, und hört dann, es ist Martha, sagt er vielleicht: ‹Kommen Sie rein, die Tür ist offen›, und sitzt einfach da und grinst sie an, während sie anfängt zu schimpfen. Wie dem auch sei, ich möchte, dass Sie sie überprüfen, Eban. Alles. Fangen Sie beim Supermarkt an. Ist sie häufig mit Jordon zusammengekommen, als sie dort noch arbeitete? Gab es Klatsch? Gab es jemanden, dem sie sich anvertraute? Kapiert?»
«Was ist denn nun mit diesem Stanley?», erkundigte sich McLure. «Wie Gore behauptet, hat der ihn doch bedroht.»
«Den müssen wir uns natürlich holen. Und …»
«Nein, brauchen wir nicht, Hugh», widersprach Jennings. «Wir haben ihn schon unten auf dem Revier. Ich habe vorhin wegen einer anderen Sache dort angerufen, und da haben sie’s mir erzählt. Sie haben ihn in der Fairbanks Street gefunden, er saß schlafend in seinem Auto, stockbetrunken. Einer der Anwohner benachrichtigte die Polizei, und die haben ihn dann geholt. Jetzt schläft er in der Zelle seinen Rausch aus.»
«Gut. Bleibt noch der junge Bursche – Billy.»
«Haben Sie eine Suchmeldung nach ihm rausgegeben?»
«Warten wir ab, ob in den Abendnachrichten was kommt. Machen Sie deutlich, dass er nicht verdächtigt wird, dass wir lediglich an den Informationen interessiert sind, die er uns geben kann.»
Jennings kritzelte in seinem Notizbuch; dann blickte er fragend auf. «Sonst noch was, Hugh?»
«Ja, fahren Sie nach Hause und essen Sie was Anständiges. Wir sehen uns dann später auf dem Revier.»
27
Da Rabbi Small am Sabbat weder Radio noch Fernseher einschaltete, hörte er erst in der Synagoge von dem Mord. Die etwa zwölf Männer, die sich zur Abendandacht versammelt hatten, hielten die Sabbatregeln weit weniger gewissenhaft ein als der Rabbi und wussten daher alles darüber. Die meisten hörten Julius Rottenberg zu, der ein mewen war, ein Experte für kriminologische Fragen, denn er führte eine Kaffeestube unmittelbar neben dem Gericht in der benachbarten Stadt Lynn und stand daher mit dem District Attorney («Kaffee, aber mit viel Sahne»), den stellvertretenden D.A.’s, sämtlichen Polizisten und sogar dem Vorsitzenden Judge («Tee mit Zitrone und ein bisschen heißes Wasser extra, Julius») auf freundschaftlichem Fuß.
«Es war natürlich der Junge», sagte er gerade, als der Rabbi die Kapelle betrat, wo sie auf den Beginn der Andacht warteten. Dick und kahl und normalerweise immer mit einem eifrigen Lächeln auf dem Gesicht, bewies Julius jetzt nur noch eine überhebliche Verachtung für jemanden, der gemeint hatte, es sei möglicherweise ein Fremder aus Jordons Vergangenheit, der den Alten erschossen habe.
«Hah», sagte er mit einer abschätzigen Handbewegung. «Das sagt die Polizei immer. Damit halten sie sich ein Schlupfloch offen. Kapiert? Aber es war der Junge. Der ist ganz verrückt nach Waffen. Wie alle Jungen. Was kann man auch anders erwarten, bei den vielen Western im Fernsehen und den Gangsterfilmen und so. Er klaut die Kanone in der Bank, wo er arbeitet. Um jemanden zu überfallen oder im Wald damit zu schießen? Bestimmt nicht. Einfach, um ihn in der Hand zu halten, das Ziehen zu üben, ihn um den Finger wirbeln zu lassen wie die
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