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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Revolvermänner in den Western. Dann erwischt ihn der Alte mit der Waffe, befiehlt ihm, sie hinzulegen, und schickt ihn auf sein Zimmer. Dann gehen die Gäste – es hat so eine Art Dinnerparty gegeben –, und der Alte setzt sich in seinen Lehnsessel, um ein Nickerchen zu halten.
    Jetzt sind sie also ganz allein, und der Alte schläft. Also kommt der Junge aus seinem Zimmer, um sich den Revolver noch mal anzusehen, ihn in die Hand zu nehmen und damit zu zielen. Und dann geht er los. Also, jetzt sitzt er in der Patsche, deswegen sagt er sich, nun kann ich gleich Nägel mit Köpfen machen, und feuert das ganze Magazin leer. Und als er fertig ist, ist Ellsworth Jordon tot.»
    «Ja, aber warum ist Jordon nicht aufgesprungen und hat ihn am Schießen gehindert, Julius?»
    Julius nickte wichtigtuerisch. «Gute Frage. Meine Theorie lautet, der Alte hatte solche Angst, dass er wie erstarrt war.»
    Ein Neuankömmling verkündete: «He, Männer! Ich habe gerade gehört, dass die Polizei Stanley verhaftet hat.»
    «Stanley? Unseren Stanley? Weswegen?»
    «Keine Ahnung. Ich habe nur gehört, dass sie ihn verhaftet haben. Habt ihr ihn heute schon gesehen?»
    «Gestern Abend war er auch nicht da. Werft mal einen Blick in den Andachtsraum; da steht noch das ganze Zeug von unserem Imbiss, das schmutzige Geschirr, und alles.»
    «Meint ihr, wir sollten aufräumen?»
    «Das ist Sache des Hausausschusses.»
    Während der ganzen Andacht fiel es dem Rabbi schwer, seine Gedanken nicht abschweifen zu lassen. Sogar die Havdala-Zeremonie, die den Sabbat vom Rest der Woche trennt, vollzog er unkonzentriert. Immer wieder musste er daran denken, dass jetzt, da Jordon tot war, und falls Henry Maltzman im Hinblick auf ihn Recht gehabt hatte, die Synagoge vielleicht das anstoßende Grundstück für die Religionsschule erwerben konnte.
    Ein wenig beschämt über seine Gedanken und seine Unkonzentriertheit beim Gebet, blieb der Rabbi nicht wie üblich nach Beendigung der Andacht bei den Mitgliedern des minjen stehen, um mit ihnen zu plaudern, sondern entschuldigte sich und ging geradewegs nach Hause. Kaum hatte er das Haus betreten, da klingelte das Telefon.
    «Rabbi Small», meldete er sich.
    Am anderen Ende ertönte ein Kichern. «Hatte ich mir doch gleich gedacht, dass Sie jetzt wohl zu Hause sein müssten, Rabbi.»
    «Stanley?»
    «Ganz recht. Ich bin auf dem Polizeirevier, und man hat mir gesagt, ich dürfte mal telefonieren.»
    «Soll das heißen, dass man Sie verhaftet hat? Aber weswegen? Wie lautet die Beschuldigung?»
    «Ich glaube, ich war wohl ein bisschen betrunken.»
    «Na schön. Ich komme rüber und rede mit ihnen.»

28
    Der Sergeant vom Dienst musterte Rabbi Small zweifelnd. «Tja», sagte er, «ich weiß nicht recht, Rabbi. Sie sind doch kein Anwalt, oder? Ich meine, Sie haben nicht Jura studiert.»
    «Nein …»
    «Er hat natürlich das Recht, mit seinem Anwalt zu sprechen, aber anderen Besuch? Wahrscheinlich wäre alles in Ordnung, wenn Sie sein geistlicher Beistand wären, aber Stanley ist kein Jude, also müsste sein geistlicher Beistand ein Pastor sein oder ein Priester, je nachdem, ob er katholisch oder evangelisch ist. Verstehen Sie? Ich meine, nur weil er bei Ihnen in der Synagoge arbeitet, sind Sie noch nicht sein geistlicher Beistand, und da Sie kein Anwalt sind …» Ratlos kaute er auf seiner Unterlippe. «Er sagte, er wollte einen Anruf machen, deshalb dachte ich, er wollte seinen Anwalt anrufen, aber Sie behaupten, er hat Sie angerufen.» Der Sergeant war verärgert, als hätte Stanley sein Vertrauen missbraucht und ihn hereingelegt.
    «Warum fragen Sie Chief Lanigan nicht, ob ich mit ihm sprechen kann?», schlug der Rabbi vor.
    «Der hat ziemlich viel zu tun. Tja …» Er kam zu einem Entschluss, stand auf, ging den kurzen Flur hinunter und klopfte an Lanigans Bürotür. Als der Chief öffnete, sah er sofort den Rabbi draußen. Ohne eine Erklärung des Sergeant abzuwarten, sagte er: «Hallo, Rabbi! Was führt Sie her? Sie wollten mich sprechen? Kommen Sie rein!»
    Der Rabbi nickte Lieutenant Jennings zu und nahm auf dem angebotenen Stuhl Platz. «Ich habe einen Anruf von Stanley Doble bekommen …»
    «Ach so, Sie hat er angerufen! Wollen Sie ihn sprechen?»
    Der Rabbi lachte kurz auf. «Offenbar möchte er mich sprechen. Ich nehme an, er ist verhaftet worden. Können Sie mir sagen, weshalb?»
    Das Telefon klingelte; Lanigan griff zum Hörer.
    «Ja, gut. Verbinden Sie.» Er legte die Hand über die Sprechmuschel und

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