Der Rabbi schoss am Donnerstag
anfangs kam, erhielt er einen Einjahresvertrag, sozusagen als Probezeit. Dann bekam er einen Fünfjahresvertrag. Dann, vor ein paar Jahren, wurde ihm ein Vertrag auf Lebenszeit angeboten, und er lehnte ihn ab. Er wollte nur einen Einjahresvertrag, der jedes Jahr verlängert werden muss. Und was bedeutet das? Es bedeutet, dass er jederzeit gehen kann. Und jedes Mal, wenn sein Vertrag ausläuft, gibt es praktisch einen neuen – so wie bei einem Mietvertrag. Ich schlage ja nicht vor, dass wir ihm einen Brief schreiben, er müsse gehen, oder wir wollten einen neuen Rabbi. Ich möchte lediglich, dass ihm die Sekretärin schreibt: (Lieber Rabbi, der Vorstand hat mit acht zu sieben oder zehn zu fünf oder was sonst beschlossen, Ihren Vertrag nicht mehr zu verlängern.) Also das bedeutet doch nicht, dass er gefeuert wird. Es bedeutet, dass er so etwas ähnliches ist wie ein jederzeit kündbarer Pächter. Er könnte ohne weiteres noch jahrelang bleiben. Nur eben ohne festen Vertrag.»
«Würden wir ihn bezahlen?»
«Ja, natürlich! Wenn er arbeitet, müssen wir das. Wir würden ihn so bezahlen wie Stanley, den Hausmeister. Der hat ebenfalls keinen Vertrag.»
Krasker nickte. «Na schön, dann ist er jederzeit kündbar. Aber wie Sie schon sagten, er könnte noch jahrelang bleiben. Und was haben wir davon? Sie wollen ihn raus haben. Und ich muss zugeben, ich hätte auch lieber einen anderen Rabbi. Aber es ist doch alles umsonst, wenn er hier bleibt, ohne dass er einen Vertrag bekommt!»
«Mehr oder weniger», gab Maltzman zu. «Aber ganz doch sicher nicht. Wenn jemand keinen Vertrag hat, kann er jederzeit gefeuert werden. Okay, sagen wir, es kommt so weit, dass er gegen etwas opponiert, was wir vom Vorstand beschlossen haben. Dann können wir jederzeit sagen: ‹Wenn es Ihnen nicht passt, Rabbi, nehmen Sie Ihre Siebensachen und verschwinden Sie.› Aber ich glaube kaum, dass es so weit kommt. Ich bin überzeugt, sobald er diesen Brief bekommt, wird er sich hinsetzen und uns seine Kündigung einreichen. Bestimmt!» Er lächelte. «Und wir schreiben ihm sofort zurück, dass wir seine Kündigung akzeptieren.»
«Tja …»
«Ich verlasse mich auf Sie, Joe!»
«Aber was passiert, wenn wir abstimmen, und der Rabbi gewinnt?»
Maltzman zuckte die Achseln. «Gar nichts. Dann stehen wir wieder auf Feld eins. Die Sekretärin schreibt ihm, der Vorstand habe per Abstimmung beschlossen, seinen Vertrag zu verlängern, und …»
«Nein.» Krasker schüttelte ungeduldig den Kopf. «Es wird ganz sicher durchsickern, wer gegen den Rabbi gestimmt hat. Und das könnte peinlich werden, wenn man ihn wegen einer Bar Mitzwa oder einer Hochzeit aufsuchen muss.»
«Sicher, daran habe ich auch schon gedacht. Wir werden also geheim wählen. Die einzelnen Stimmen werden von der Sekretärin gezählt. Gewinnt der Rabbi, sagt sie es. Verliert der Rabbi, und es gibt Ärger, nennt sie die Stimmergebnisse. Namen werden nicht genannt, weil niemand seinen Stimmzettel unterschreibt.»
«Ja, aber, wie sieht es aus?»
«Kritisch, Joe. Verdammt kritisch. Ich muss zugeben, dass ich mich auf Sie verlasse. Gestern habe ich mit Bill Shaefer gesprochen. Sie machen seine Buchhaltung, nicht wahr?»
«Seit Jahren.»
«Nun, also, ich bin jeden Namen durchgegangen, und mit Ihnen sind wir gerade acht; das ist knapp. Bill war überzeugt, dass Sie mitmachen würden, aber ich sagte, das wollte ich von Ihnen selbst hören. Also, was ist nun, Joe? Kann ich mit Ihnen rechnen?»
Der Hinweis auf Bill Shaefer, einen seiner größten Klienten, beeindruckte Krasker. «Aber sicher, Henry. Ich wollte nur das Für und Wider erwägen. Verstehen Sie?»
«Selbstverständlich. Ich kann’s ihnen nicht verdenken.» Er langte nach einem Aktenhefter auf seinem Schreibtisch.
Aber Krasker ging noch nicht. «Was Sie da am Sonntag bei der Sitzung über diesen Jordon gesagt haben – ist das wahr? Dass er ein Antisemit war?»
«Allerdings.»
«Weil ich nämlich diesen Klienten habe, einen Arzt, und wir unterhielten uns über den Mord, und der sagte, was für ein netter Mensch Jordon doch sei, und dass er immer große Spenden für den Krankenhausfonds gegeben habe.»
«Na und? Er hat vermutlich auch Hunde gemocht und war nett zu kleinen Kindern. Hitler hat auch Hunde gemocht. Und Musik. Aber uns hat er nicht gemocht. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.»
«Na ja, ich dachte nur, es interessiert Sie vielleicht.»
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Anne Kaufman war Silberschmiedin und hatte ihr Geschäft in
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