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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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der Innenstadt. Es war kaum mehr als ein kleines Loch mit einer anschließenden Werkstatt, wo sie auf einem hohen Hocker an ihrem Arbeitstisch saß und die Ringe, Anhänger, Ohrringe und Manschettenknöpfe herstellte, die sie in ihrem winzigen Laden verkaufte. Wenn die Türglocke ertönte, stieg sie von ihrem Hocker und kam nach vorn, um ihre Kundschaft zu bedienen.
    Trotz ihres Altersunterschieds – Annes Kinder waren bereits in der High School – waren Anne und Molly Mandell eng befreundet. Molly hatte ihren Einfluss in der Bank dazu benutzt, ihr das Darlehen zu beschaffen, mit dem sie ihr Geschäft aufgebaut hatte, deswegen war sie der Jüngeren dankbar. Und da sie beide den größten Teil des Tages im Geschäftsviertel der Stadt verbrachten, sahen sie einander häufig. Deswegen hatte sich Molly erboten, mit ihr über Maltzmans Plan zu sprechen.
    Als Anne anrief, um sie zu fragen, ob sie schon eine Verabredung zum Lunch habe, hielt sie das für eine günstige Gelegenheit.
    «Bisher nicht. Ich wollte eigentlich bei Creighton ein Sandwich essen. Was hast du denn vor?»
    «Ich dachte, du könntest im Delikatessenladen vielleicht ein Sandwich kaufen und es mit herbringen. Ich mache uns einen Kaffee.»
    «Klingt gut. Also bis heute Mittag.»
    Als sie wenige Minuten nach zwölf Uhr kam, schloss Mrs. Kaufman die Ladentür ab und hängte ein Schild ins Fenster: Bin um ein Uhr wieder zurück. Sie bot ihrem Besuch den alten Korbsessel an, in dem sie sich gelegentlich ausruhte, und nahm selbst auf ihrem Hocker Platz. Sie schenkte Kaffee ein, und Molly packte ihr Sandwich aus; dann sagte sie: «Kanntest du diesen Ellsworth Jordon? In der Zeitung stand, er sei Aufsichtsratsmitglied eurer Bank gewesen.»
    «O ja, den kannte ich», antwortete Molly grimmig. «Der kam beinahe jeden Tag. Nicht weil er im Aufsichtsrat war, sondern weil er nichts anderes zu tun hatte. Die anderen Aufsichtsratsmitglieder bekommt man höchstens einmal im Monat zu sehen.»
    «War er wirklich – du weißt schon – Antisemit?»
    «Er war ein schmutziger alter Mann. Das war er.» Sie lächelte säuerlich. «Ob er Antisemit war, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass er mich ständig belästigte. Und er wusste, dass ich Jüdin bin.»
    «Wirklich? Wie hat er dich denn …»
    «Ach, du weißt schon, zufällig-absichtlich ein Klaps auf den Po und so.»
    «Hast du das denn deinem Chef nicht gesagt?»
    «Einmal habe ich’s erwähnt, aber er hat sich so aufgeregt, dass ich ihm lieber nicht mehr damit gekommen bin.»
    «Was hast du gemacht?»
    «Ach, als er wieder einmal damit anfing, war ich darauf vorbereitet. Statt zusammenzuzucken, wie es natürlich gewesen wäre, blieb ich eisern und hab ihm den spitzen Ellbogen in die Rippen gebohrt.»
    «Und was hat er gemacht?»
    Molly lachte. « Er ist zusammengefahren – und hat einen Hustenanfall gekriegt.» Sie kaute ihr Sandwich; dann fragte sie: «Warum interessierst du dich so für Jordon?»
    «Nun ja …» Mrs. Kaufman warf einen Blick in den schräg oben an der Wand angebrachten Spiegel, mit dessen Hilfe sie den Laden und die Ladentür überblicken konnte. «Heute Morgen saß ich hier oben und arbeitete, wie immer. Als die Tür aufging, blickte ich auf und sah, dass es diese beiden alten Weiber waren, die ewig kommen, aber nie etwas kaufen. Deswegen hatte ich es nicht eilig, rüberzugehen. Aber ich konnte sie reden hören, und eine von ihnen sagte, das wüssten doch alle, dass es die Juden getan hätten, weil er sie ‹gefressen hätte›. Genau diesen Ausdruck benutzten sie. Er habe versucht, eine geheime Absprache zu arrangieren, dass niemand ihnen ein Grundstück auf dem Point verkauft, und deswegen hätten sie’s getan. Dann hustete ich oder räusperte mich, und vermutlich merkten sie, dass ich sie hören konnte, denn im Spiegel sah ich, wie eine von ihnen den Finger auf die Lippen legte und zur Werkstatt hier herübernickte.»
    «Hm. Ist ja interessant. Was hast du gemacht?»
    «Gar nichts», antwortete Mrs. Kaufman. «Nach einer Weile ging ich raus. Eine von ihnen bat mich, ihr ein bestimmtes Stück aus dem Schaufenster zu zeigen, und ich erklärte ihr, das sei schon verkauft, der Kunde werde es morgen abholen. Vielleicht spürten sie, dass sie nicht willkommen waren. Wie dem auch sei, daraufhin gingen sie. Und ich rief dich an.»
    «Machst du dir Sorgen?», fragte Molly.
    «Ein bisschen schon», gab Anne zu.
    «Ist doch sinnlos, sich über alles aufzuregen, was die Leute so daherreden», versuchte

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