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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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Feuer zu bitten oder eine Bemerkung über das Wetter zu machen.
    Es war ziemlich menschenleer, und die meisten Buden hatten, wie er vermutet hatte, jetzt geschlossen, ihre sonst so bunt dekorierten Fassaden durch ungestrichene Holzverschalungen, die sie im Winter schützen sollten, verunstaltet. Hier und da jedoch war eine Bude offen, der Besitzer stützte sich auf die Theke, blickte erwartungsvoll die Straße auf und ab, für den Fall, dass einer der wenigen Passanten Interesse zeigen sollte, und rief ihnen zu, wenn sie vorbeigingen: «Treten Sie näher! Jedes Los gewinnt! Niemand verliert! Treten Sie näher!»
    Ein paar Eis- und Hot-Dog-Stände hatten ebenfalls geöffnet, und in der Ferne entdeckte der Rabbi einen Laden, der so aussah, als gäbe es dort Kaffee. Er hoffte, dass er ihn in einem Pappbecher mitnehmen und im Pavillon trinken konnte, während er einfach dasaß und nichts tat. Auf einmal hörte er, dass jemand seinen Namen rief; er blieb stehen und sah sich um. Der Einzige, der ihn gerufen haben konnte, war ein hoch gewachsener junger Mann in T-Shirt und Blue Jeans, der am Tisch einer Schießbude lehnte, an der er soeben vorbeigekommen war. Er kehrte um.
    «Mann, ich war nicht ganz sicher, ob Sie das wirklich waren, Rabbi. Ich meine, hier draußen bei uns …»
    Jetzt erkannte der Rabbi ihn. «Sumner, nicht wahr?»
    «Hm-hm. Sumner Leftwich. Ich war vor zwei Jahren in Ihrer Nachkonfirmationsklasse. Kommen Sie öfter hier heraus?»
    «Nein, nicht oft. Arbeiten Sie ständig hier? Ich dachte, Sie gingen noch zur Schule.»
    «Stimmt. Massachusetts State. Ich helfe hier manchmal aus. Die Bude gehört dem Vater meiner Freundin. Wenn das Geschäft so flau geht wie jetzt, kann ich hier genauso gut lernen wie zu Hause oder in der Bibliothek. Und ich bekomme noch Geld dafür.» Er musterte den Rabbi schüchtern. «Wollen Sie’s nicht mal versuchen, Rabbi? Zehn Schuss fünfundzwanzig Cent.»
    «Ich habe noch nie einen Schuss abgegeben.»
    «Ist nichts dabei, Rabbi. Sie zielen und ziehen ab. Das heißt, Sie ziehen nicht richtig ab, sondern drücken den Abzug ganz langsam durch.»
    Der Rabbi blickte die Straße hinauf und hinunter und sagte sich, der junge Mann habe schließlich bis jetzt kaum Kunden gehabt. Also fischte er einen Vierteldollar aus der Tasche und beobachtete interessiert, wie der junge Mann einen Ladestreifen in die Kammer schob.
    Der Rabbi setzte das Gewehr an die Schulter und spähte durch das Visier zu einer Reihe von Tonröhrchen, einer Reihe dahingleitender Enten, einer Reihe Karnickel, die hintereinander daherhoppelten, und zu einem riesigen Pendel hinüber, das langsam hin und her schwang. Dann erinnerte er sich unbestimmt, dass es beim Schießen zu einem Rückstoß kommt; also nahm er die Brille ab und steckte sie sorgfältig in seine Brusttasche. Als er jetzt wieder ein Ziel anvisierte, erkannte er nur weiße Flecken und Kleckse. Aber das war nicht weiter wichtig; es gab ja so viele Dinge, die man treffen konnte.
    Immer wieder zog er ab, bis ihm ein Klicken verriet, dass er keine Munition mehr hatte. Er legte das Gewehr hin und setzte die Brille auf.
    «Perfekte Serie», sagte der junge Mann grinsend.
    «Wirklich?»
    «Aber sicher. Zehn Schuss, zehn Fahrkarten. Wahrscheinlich stimmt was nicht mit dem Visier. Hier, versuchen Sie das mal. Kostet Sie nichts.»
    «Nein, danke. Wirklich …»
    «Ach was, los, Rabbi!»
    Achselzuckend nahm der Rabbi abermals die Brille ab und setzte das Gewehr an die Schulter. Als er es diesmal hinlegte, schüttelte der junge Mann bedauernd den Kopf, zum Zeichen, dass er schon wieder danebengeschossen hatte.
    «Ich glaube, es liegt an Ihnen, Rabbi, nicht am Gewehr.»
    «Ich fürchte, ich werde nie ein guter Schütze werden», entgegnete der Rabbi. «Übrigens, ich wollte mir gerade einen Kaffee holen. Soll ich Ihnen einen mitbringen?»
    «Ja, könnte ich gut gebrauchen. Milch und nur ein bisschen Zucker. Wenn Sie denen sagen, er ist für mich, wissen sie schon, wie ich ihn trinke.»
    Als der Rabbi mit dem Kaffee zurückkam, sagte Sumner: «Hören Sie, Rabbi, was halten Sie davon, wenn Sie eine Extraklasse einrichten würden oder eine Art Club für die jungen Leute, die jetzt im College sind?»
    «Das haben wir einmal versucht, aber es kamen so wenige, dass wir es wieder aufgaben.»
    «Ja, aber ich habe da eine Idee …»
    Erst nach einer ganzen Weile gelang es ihm, sich zu verabschieden. Er beschloss, nach Barnard’s Crossing zurückzukehren, denn wahrscheinlich

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