Der Rabbi schoss am Donnerstag
es eine ganz neue Generation bei ihnen, wie diese Israelis, die keine Sekunde zögern, sondern sofort zurückschlagen. So kommt mir dieser Maltzman vor. Ein jüdischer Captain bei den Marines – dann muss er ja einfach so sein. Wenn der zu Jordon gegangen wäre und es hätte eine Auseinandersetzung gegeben – der wäre nicht einfach still davongeschlichen. Der hätte zurückgeschlagen.»
Lanigan nickte. «Ich will nicht behaupten, dass es unvorstellbar ist. Und außerdem ist Henry hitzig. Als Offizier bei den Marines hat er gelernt, mit Waffen umzugehen. Aber diese vielen Schüsse, das passt nicht zu ihm. Und er hat ein Alibi. Wir wissen, dass er in der Synagoge war, als der Mord begangen wurde.»
McLure stand auf. «Ich wünschte, ich hätte einen Dollar für jedes wasserdichte Alibi, das ich geknackt habe. Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich weitermachen mit meinen Ermittlungen über Bruder Maltzman.»
Als McLure fort war, sagte Jennings: «Wissen Sie, Hugh, irgendetwas stört mich doch bei Maltzmans Alibi in der Synagoge. Sehen wir mal in der Akte nach. Ja, da ist es. Wir haben Mrs. Small gefragt, ob Maltzman in der Synagoge war, und sie hat geantwortet: ‹Ich glaube schon. Ja, ich bin sicher, dass er da war.›»
«Und?»
«Nun, wenn sie gesagt hat, ich glaube schon, würde das denn nicht heißen, dass sie keineswegs sicher war?»
«Keine Ahnung. Wahrscheinlich nur so eine Redensart.»
«Aber so etwas hätte sie doch wissen müssen, Hugh! Haben Sie jemals an einem Gottesdienst in der Synagoge teilgenommen?»
«Nein.»
Jennings grinste voller Genugtuung. «Das kommt davon, dass ihr Katholiken nicht bei unserem Kirchenbesuchsprogramm vor zwei Jahren mitgemacht habt. Euer Pater Regan war zwar dafür, dass die Leute in seine Kirche kamen, aber er wollte nicht, dass seine Leute andere Kirchen besuchten. Sehen Sie, Hugh, ihr Katholiken seid manchmal recht engstirnig, bei manchen Dingen, während wir Methodisten …»
«Kommen Sie zur Sache, Eban – bitte!»
Jennings richtete den Blick seiner blassblauen Augen auf den Chief und sagte in einem Ton, der zugleich gekränkt und verzeihend klang: «Das tu ich ja, Hugh. Denn sehen Sie, da gibt es so eine Art Plattform in der Synagoge, und da steht in der Mitte die Bundeslade, in der sie ihre heilige Schrift aufbewahren. Und rechts und links von der Bundeslade stehen je zwei besonders schöne Sessel. Der Rabbi und der Gemeindevorsitzende sitzen auf der einen Seite, während der Vizevorsitzende und der Kantor auf der anderen sitzen, das heißt, solange er nicht singt, der Kantor, meine ich, und das tut er meistens, und dann steht er ganz vorn …»
«Weiter, Eban!»
«Sicher, Hugh. Also ich meine, Maltzman ist doch der Vorsitzende, also müsste er direkt neben Rabbi Small sitzen, wenn er anwesend wäre, und dann wüsste Mrs. Small hundertprozentig genau, ob er da war, denn auf der Plattform können ihn alle sehen.»
«Dann hat er an jenem Abend vielleicht nicht da oben gesessen, sondern unten bei den anderen Gemeindemitgliedern.»
«Das meine ich ja, Hugh. Wenn ich Sie zum Beispiel fragen würde, ob Pater Regan am Sonntag in der Kirche war, würden Sie antworten: ‹Natürlich war er da.› Wenn ich Sie jedoch fragen würde, ob Mrs. Murphy am Sonntag in der Kirche war, würden Sie vielleicht sagen, Sie glaubten schon, und dann würde es Ihnen möglicherweise einfallen und Sie würden sagen: ‹Doch, ich bin sicher, dass sie da war.›»
«Wer ist Mrs. Murphy?»
«Ach was, Sie wissen schon! Ich hab sie doch nur als Beispiel genommen.»
«Na schön. Worauf wollen Sie hinaus?»
«Nun ja. Warum hat Henry Maltzman nicht auf seinem Platz gesessen? Vielleicht, weil er an jenem Abend nervös war und nicht vor aller Augen da oben sitzen wollte?»
«Eher, würde ich sagen, weil er zu spät gekommen ist, nachdem der Gottesdienst schon begonnen hatte, und … Aber ja, vielleicht ist er wirklich zu spät gekommen!» Lanigan trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. «Wenn er zu spät gekommen ist, wollte er sicher nicht bis ganz nach vorn durchgehen und dann auf die Plattform hinaufsteigen …»
«Vor allem, wenn er nervös war, oder?»
«Na schön. Wir haben Miriam nicht gefragt, um wie viel Uhr er gekommen ist, darum hat sie auch nichts gesagt. Denn schließlich wusste sie nicht, warum wir sie überhaupt gefragt haben. Okay, Eban, an jenem Abend müssen mindestens hundert Personen in der Synagoge gewesen sein, und irgendjemand von ihnen muss gesehen haben,
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