Der Rabbi
kann die Gebete«, sagte Leslie.
»Sie müssen ganz untertauchen und dann die Gebete sagen. Das ist der einzige Anlaß, bei dem man die broche nach der Handlung sagt und nicht vorher. Und zwar deshalb, weil das Tauchbad Sie von jeder früheren Religion reinigt; erst nachher können Sie als Jüdin zu Gott beten. Sie werden wahrscheinlich ein paarmal untertauchen müssen, damit auch sicherlich alles gut naß wird. Sie sind doch nicht wasserscheu?«
»Ich bin nicht wasserscheu.«
»Dann ist's gut«, sagte Mrs. Rubin und nahm ihr das Leintuch ab.
Leslie schritt die Stufen hinunter. Das Wasser war warm. In der Mitte des Beckens reichte es ihr gerade an die Brust. Sie hielt inne und blickte hinein. Es schien rein und klar, und der weißgekachelte Boden schimmerte zitternd herauf. Nun schloß sie die Augen und tauchte unter, mit angehaltenem Atem, setzte sich auf den gekachelten Boden und spürte die Fugen der Kachelung auf der nackten Haut. Danach erhob sie sich prustend und sprach mit zitternder Stimme die Gebetsformeln.
»Amen«, echote Mrs. Rubin, und Leslie konnte das Amen der Rabbiner durch den Türspalt hören. Mrs. Rubin beschrieb mit beiden Armen eine Abwärtsbewegung, wie ein Sportfunktionär, der seiner Mannschaft Zeichen gibt, und Leslie tauchte erneut unter, diesmal schon gefaßter. Es war so einfach, daß sie das Lachen ankam. Da saß sie nun im Wasser, mit flutendem Haar, und fühlte sich auf wunderbare Weise um die körperliche und geistige Last erleichtert und gereinigt von der Schuld eines zweiundzwanzigjährigen Lebens. Gewaschen im Blut des Lammes, dachte sie benommen und kam wie ein Fisch von unten herauf.
Meine lieben Kinder, dachte sie, hört zu, und ich will euch erzählen, wie eure Mama eine jüdische Seejungfrau geworden ist, und das ist eine lange Geschichte. Und sie sprach die broche diesmal schon mit mehr Selbstsicherheit. Aber Mrs. Rubin war noch immer nicht zufrieden, abermals stießen ihre Arme nach unten, und Leslie tat es ihnen nach. Beim dritten Untertauchen behielt sie die Augen offen und spähte hinauf zu der leuchtenden Glühbirne über dem Becken, und es war ihr, als schwebte Gottes Auge über den Wassern. Sie tauchte abermals auf, etwas außer Atem, spürte ihre Brustwarzen fest werden in der kalten Zugluft, die durch den Türspalt kam, hinter welchem die Rabbiner zuhörten, und diesmal sprach sie die Gebete mit froher Gewißheit.
» Maseltow «, sagte die alte Mrs. Rubin, legte Leslie, der beim Heraussteigen das Wasser von den Hüften troff, das Leintuch wieder um und küßte sie auf beide Wangen.
Dann stand sie im Büro des Rabbiners, weggeschwemmt alles Make-up, das Haar strähnig und naßkalt im Nacken, und mit einem Gefühl, als wäre sie soeben im Davenport-Becken des Colleges zehn Längen geschwommen. Der Rabbiner, der ihr den Kaffee angeboten hatte, lächelte ihr zu.
»Willst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit all deinem Herzen, mit all deiner Seele und mit all deinem Vermögen?« fragte er. »Ja«, flüsterte sie, ernst geworden.
»Und die Gebote«, sagte er, »die ich dir nun gebe, sollen eingepflanzt sein in deinem Herzen: mit Eifer sollst du sie weitergeben deinen Kindern, sie sollen auf deinen Lippen sein, wenn du sitzest in deinem Haus und wenn du gehest auf deiner Straße, wenn du liegst zu Bett und wenn du aufstehst am Morgen.
Du sollst sie tragen als Zeichen über deiner Hand und als Siegel zwischen deinen Augen. Du sollst sie schreiben an die Pfosten deines Hauses und über seine Tore: daß ihr möget eingedenk sein all meiner Gebote und tun nach meinen Worten und geheiliget sein dem Herrn eurem Gott.«
Rabbi Gross trat auf sie zu und legte ihr die Hände auf den Scheitel.
»Du bist aufgenommen in das Haus Israel«, sprach er. »Die hier versammelten Rabbiner heißen dich willkommen und geben dir den Namen Leah bas Avrahom, mit welchem du künftig wirst gerufen werden in Israel.«
»Möge Er, der da segnete unsere Mütter Sara, Rebekka, Rachel und Lea, auch dich segnen, unsere Schwester Leah bas Avrahom, heute am Tage deiner Aufnahme in die Gemeinschaft Israels und deiner Bekehrung inmitten des Volkes unseres Herrn, der da ist der Gott Abrahams. Der Segen des Herrn sei mit dir auf allen deinen Wegen, und gesegnet sei das Werk deiner Hände, Amen.« Dann überreichte ihr der jüngste der Rabbiner die Übertrittsurkunde, und sie las: IN GEGENWART GOTTES UND DIESES RABBINISCHEN
RATES
Hiemit erkläre ich, daß ich die Gesetze des Judentums
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