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Der Rabbi

Der Rabbi

Titel: Der Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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bedeckte er das Haupt mit der jarmulka und hängte sich den Mantel um die Schultern. Als sie den Sarg an das Grab schafften, krächzte die Krähe erneut. Die beiden Söhne ließen den Sarg in die Grube, und dann standen alle fünf um das Grab und sahen Michael an.
    »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln«, sagte er. »Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele, er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.«
    Das kleine Mädchen bohrte mit der Fußspitze so lange in der klumpigen Erde, bis sich ein Brocken davon löste und in das Grab polterte. Bleich vor Schreck zuckte sie zurück.
    »Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
    Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde, du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.
    Wem ein tugendsam Weib beschert ist«, sprach er weiter, »die ist viel edler als die köstlichsten Perlen. Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen, und Nahrung wird ihm nicht mangeln. Sie tut ihm Liebes und kein Leides ihr Leben lang. Sie geht mit Wolle und Flachs um und arbeitet gern mit ihren Händen. Sie ist wie ein Kaufmannsschiff, das seine Nahrung von ferne bringt. Sie steht vor Tage auf und gibt Speise ihrem Hause und Essen ihren Dirnen. «
    Clive Hendrickson blickte der Mutter ins Grab nach, den Arm um seinen Sohn geschlungen. Tom Hendrickson hielt die Augen geschlossen. Er merkte nicht, daß er die Haut seines Handgelenks zwischen den Fingern und dem hornigen Daumennagel der anderen Hand andauernd hin und her drehte.
    »Sie denkt nach einem Acker und kauft ihn und pflanzt einen Weinberg von den Früchten ihrer Hände. Sie gürtet ihre Lenden mit Kraft und stärkt ihre Arme. Sie merkt, wie ihr Handel Frommen bringt. Ihre Leuchte verlischt des Nachts nicht. Sie streckt ihre Hand nach dem Rocken, und ihre Finger fassen die Spindel. Sie breitet ihre Hände aus zu dem Armen und reicht ihre Hand dem Dürftigen. Kraft und Schöne sind ihr Gewand, und sie lacht des kommenden Tages. Sie tut ihren Mund auf mit Weisheit, und auf ihrer Zunge ist holdselige Lehre. Sie schaut, wie es in ihrem Hause zugeht, und ißt ihr Brot nicht mit Faulheit.«
     
    Der erste Tropfen traf Michaels Wange wie ein kalter Kuß. »Ihre Söhne stehen auf und preisen sie selig; ihr Mann lobt sie: Viele Töchter halten sich tugendsam; du aber übertriffst sie alle. Lieblich und schön sein ist nichts; ein Weib, das den Herrn fürchtet, soll man loben. Sie wird gerühmt werden von den Früchten ihrer Hände, und ihre Werke werden sie loben in den Toren.« Die Tropfen fielen nun dichter und klatschten schwer auf. »Lasset uns nun beten, jeder auf seine Weise, für die Seele der Verstorbenen, Mary Bates Hendrickson«, sprach Michael.
    Die beiden Brüder und die Frau knieten in dem aufgeweichten Erdreich nieder. Erschrocken blickten die Kinder einander an und taten es ihnen nach. Die Frau weinte gesenkten Hauptes vor sich hin.
    Und über ihnen allen sprach Michael mit lauter, klarer Stimme die alten aramäischen Worte des jüdischen Totengebets. Und sprach noch, da die halbdollargroßen Tropfen dichter und dichter aus den Himmeln fielen.
    Und während Frau und Kinder sich eilig und mit unterdrücktem Gekreisch entfernten, verstaute Michael die Bibel in der Jacke und stieß dann mit den Brüdern die Steine und die nassen Erdbrocken zurück in die Grube und häufte mit ihnen den Hügel darüber im Wettlauf gegen die Zeit.
    Nach dem Frühstück begann Clive auf seiner Geige fröhliche Melodien zu spielen und brachte die Kinder damit zum Lachen. Der Abschied erleichterte sie sichtlich.
     
    »Ich danke Ihnen für das schöne Begräbnis«, sagte Tom Hendrickson und hielt Michael einen ganzen und einen halben Dollar hin. »Soviel hat unser verstorbener Prediger immer verlangt.
    Geht das in Ordnung?«
    Michael hätte das Geld sonst nicht genommen, aber etwas in den Augen des Gebers zwang ihn zu sagen: »Das ist mehr als genug.
    Vielen Dank.«
    Hendrickson begleitete ihn bis zum Wagen. Während der Motor warmlief, lehnte er sich zum Fenster herein. »Hab mal mit so 'nem Kerl auf einer großen Missouri-Farm gearbeitet«, sagte er. »Der wollte mir weismachen, die Juden haben Niggerhaare, und aus dem Schädel wachsen ihnen zwei

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