Der Raben Speise
Nasenlöcher und öffnete dann vermittels eines kleinen, aber äußerst scharfen Messers die Bauchhöhle mit einem glatten Schnitt. Schlagartig erfüllte sich der Keller mit einem infernalischen Pestilenzatem, dass selbst der Medicus von dem Toten zurücktrat. Auch ich hielt trotz der Blüten die Luft an.
Als wir uns erneut aus Ossensterts Vorrat an Blüten bedient hatten, fühlten wir uns in der Lage, den Inhalt des Leibes näher zu examinieren. Es sah aus, als hätte man Conrad mit einer meiner Pistolen in den Bauch geschossen. Zerfetzte Eingeweide, faulige Speisen, Kot und Blut bildeten eine zähe Masse, von der ein unbeschreiblicher Gestank ausging. Ich hatte genug gesehen und winkte den Medicus stumm nach oben.
Die nächsten Augenblicke sprach keiner von uns. Ossenstert hatte sich als Erster wieder gefangen. »Was wirst du tun?«
»Ich hoffe, das Richtige. Geh du nur wieder runter und wickle die Leiche ein. Es muss nicht jeder sehen, was geschehen ist.«
Dann rief ich den Müller. »Höre mir gut zu! Alles, was ich dir auftrage, geschieht im Namen und auf ausdrücklichen Befehl des Fürstbischofs von Münster in Übereinstimmung mit dem Willen des Grafen von Crange. Du wirst dafür sorgen, dass die Leiche unverzüglich verbrannt wird. Sollte irgendwer daran Anstoß nehmen wollen, störe dich nicht daran. Im Übrigen wird es hilfreich sein, das Gerücht auszustreuen, dass die Verbrennung wegen einer ansteckenden Krankheit des Toten unerlässlich war. Und achte darauf, dass der Tote in seiner Umhüllung bleibt, bis alles vorüber ist.«
Das Geld, dass ich ihm dabei in die Hand drückte, wurde unter großen Dankesbezeigungen und dem Versprechen entgegengenommen, meinen Anordnungen gemäß zu verfahren.
»Und noch etwas. Sollte jemand versuchen, dir dabei irgendwelche Schwierigkeiten zu machen, verweise ihn an mich. Mein Name ist von dem Kerkhof, Frederik von dem Kerkhof.« Allmählich kam mir der Satz flüssig über die Lippen.
»Es ist schön, dass ihr alle die Güte hattet, euch auf meinen Wunsch hier noch einmal zu versammeln. Ich hoffe, es wird das letzte Mal sein und ich werde euch sagen können, wer dem armen Conrad das Leben genommen hat. Mein besonderer Dank gilt dabei unserem Gastgeber, dem Herrn von Crange, den an dem Mord nicht die geringste Schuld trifft und der durch seine Klugheit und Umsicht erst ermöglicht hat, dass ich dem Täter auf die Spur kommen konnte.«
Der von mir zu Recht so Gelobte stand auf mein Geheiß an der Saaltür und wartete auf mein Zeichen.
»Nun, ich will euch nicht lange auf die Folter spannen, deshalb sage ich euch gleich, dass euer Reisegefährte an einer wahrhaften Verwüstung seines Leibesinneren gestorben ist, so greulich, dass mein Medicus meinte, es müsse wohl der Teufel in ihn hineingefahren sein.«
Burmann nickte verhalten dazu und murmelte etwas wie: »Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als unsre Schulweisheit sich träumen lässt.« Kein schlechtes Wort für einen Handelsmann, wie ich meine. Das würde selbst einem Dichter wohl anstehen.
»Und das hat er auch getan, allerdings nur mit seinem feurigen Schweif. Und – es war ein höchst irdischer Teufel, ein Teufel in Menschengestalt. So frage ich Euch frei heraus, Herr Hinrich Burmann, war es Euer Vermögensverfall und die Angst vor der Armut und der Schande, die Euch zum Mörder werden ließen?«
Es trat eine Stille ein, in der man die sprichwörtliche Nadel hätte fallen hören können. Zu meiner Verwunderung war es die Kaufmannsfrau, die als Erste die Sprache wiederfand. »Das ist ja irrwitzig! Da könnt Ihr auch gleich mich fragen, ob ich aus Angst vor der ...«
»Wohlan denn, Weib. Was hat Euch zur Mörderin gemacht?«
Nun verschlug es ihr mitten im Satz das Wort, und es war der Sohn, der jetzt aufsprang und seine Stimme erhob. »Da könnt Ihr auch gleich mich ...«
»Und warum bist auch du zum Mörder geworden? Solltest du auch einen Anteil am Golde erhalten, oder wolltest du nur ein treuer Sohn sein? – Raschid und Jazir muss ich wohl gar nicht erst fragen. Ohne ihre Hilfe hätte sich euer Plan überhaupt nicht durchführen lassen.«
Auf meinen Wink zog der Herr von Crange sein Schwert und pochte mit dem Knauf laut gegen die Tür. Augenblicklich öffnete sich diese sowie die auf der gegenüberliegenden Seite des Saales und es traten jeweils vier gepanzerte Wachen ein, die die Eingänge versperrten.
»Bevor ihr euch nun in Verwünschungen meiner Person und überschwellenden
Weitere Kostenlose Bücher