Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath
etwas viel Schlimmerem. Wenn er wieder darauf zu sprechen kam, war er noch wütender als während unseres Streits. Ich nannte das seine »Spätzündung«. Es kam mir vor, als hätte er eine sehr lange Zündschnur, die eine ganze Zeit brauchte, um abzubrennen, bis es endlich zur Explosion kam. Das war wirklich ziemlich beängstigend, da ich nie wusste, wann es so weit sein würde.
Mansell ist mir gegenüber nie handgreiflich geworden. Es war immer nur verbal. Wenn es zur Explosion kam, war es nichts weiter als das – eine Explosion seiner Wut im Eifer des Gefechts. Ein Überschwappen von Emotionen, die er einfach loswerden musste. Ich würde ihn nicht als einen kalten, berechnenden Menschen bezeichnen. Ganz und gar nicht...
Aussage von Rebecca Quinn, Oktober 1990
Ben Cooper war müde und bereit, nach Hause zu fahren. Es war drei Uhr morgens, und es regnete noch immer. Außerdem hatte er Geburtstag.
Er starrte mit trübem Blick zu einem der Fenster der Einsatzzentrale hinaus und fragte sich, wie viel Regen fallen musste, damit die Peak Cavern überflutet wurde. Er stellte sich vor, wie Gruppen von Touristen rannten, um sich aus der Höhle zu retten, während schäumende Wassermassen hinter ihnen tosend durch die Gänge strömten, als würden sie von allen Teufeln aus der Hölle gejagt. Er wusste, dass es dazu im wirklichen Leben nicht kommen würde – es gäbe genug Warnungen, bevor irgendjemand von der Flut überrascht werden würde.
Cooper hatte Rebecca Quinns Aussage schon einmal gelesen, aber an diesem Morgen kam ihm ihre Charakteranalyse ihres Ehemanns besonders ironisch vor. Vielleicht war er nur müde, doch er hatte den Eindruck, als hätte sie von einem völlig anderen Menschen gesprochen.
Er nahm an, dass Rebecca nach jenem Tag im Oktober 1990 ihr eigenes Haus eine Zeit lang nicht hatte betreten dürfen – nicht, bis die Spurensicherung überzeugt war, dass sie alles getan hatte, um sämtliche vorhandenen Beweise zu sammeln. Der Zugang zu ihrem Wohnzimmer war ihr vermutlich auch im Anschluss daran verwehrt geblieben, auch wenn sie es hätte betreten wollen.
Cooper versuchte, sich vorzustellen, wie es wohl war, in dem Wissen ins eigene Haus zurückzukehren, dass vor kurzem jemand einen gewaltsamen Tod im Wohnzimmer gestorben war und dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um den eigenen Ehemann handelte. Würde es sich trotzdem noch wie das eigene Zuhause anfühlen? Oder würde sich alles verändert haben? Vermutlich hatte man das Gefühl, irgendetwas Fremdes sei in die Privatsphäre eingedrungen.
Vermutlich hätte man das schreckliche Verlangen, die Tür
des Zimmers zu öffnen, in dem es geschehen war, in der vertrauten Umgebung nach irgendeiner Erklärung zu suchen und zu hoffen, dass alles nur ein schlimmer Traum gewesen war. Doch alles, was Rebecca Quinn gesehen hätte, wären die Markierungen, die die Spurensicherung hinterlassen hatte, die Löcher, die in den Teppich geschnitten worden waren, um die Blutflecken zu beschlagnahmen, sowie eine Schicht Puder auf den Fensterrahmen und den Türklinken. Möglicherweise hätte sie Latexhandschuhe gerochen und den Schweiß der Leute, die in Schutzanzügen im Haus gearbeitet hatten. Vielleicht wäre ihr aufgefallen, dass die Flasche nicht mehr auf dem Tisch stand, die Kissen nicht mehr auf dem Sofa lagen und der Schürhaken am offenen Kamin fehlte. In gewisser Weise alles nüchterne Tatsachen – aber alles Anzeichen dafür, dass das Zimmer Schauplatz eines Gewaltverbrechens gewesen war.
Cooper suchte in der Liste mit den Zeugenaussagen nach einer Befragung von Nachbarn mit dem Namen Page. Alistair Page war damals erst sechzehn Jahre alt gewesen, doch wenn seine Eltern noch in der Gegend wohnten, könnte es sich lohnen, mit ihnen zu sprechen. Falls sie in unmittelbarer Nachbarschaft gewohnt hatten, mussten sie in einem Ort wie Castleton die Quinns recht gut gekannt haben. Und unabhängige Zeugen waren zweifellos Mangelware.
Doch der Name Page tauchte nirgendwo in der Liste auf. Cooper notierte sich, dass er Alistair nach seinen Eltern fragen wollte. Dann wandte er sich nochmals Rebeccas Aussage zu. Sie hatte sich daran erinnert, das Haus an jenem Morgen um acht Uhr dreißig verlassen zu haben, um zu ihrem Arbeitsplatz – sie war Sekretärin in einer Anwaltskanzlei – in Hathersage zu fahren. Normalerweise wäre sie nicht vor siebzehn Uhr drei ßig nach Hause gekommen, doch sie war früher am Nachmittag telefonisch von der Polizei verständigt
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