Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
der Praxis hätte es neulich einen Einbruch gegeben, bei dem unter anderem Skalpelle entwendet wurden.«
»Sie denken, dass Farley den Einbruch inszeniert haben könnte, damit er aus dem Schneider ist, falls eines der Skalpelle gefunden und als Mordwaffe identifiziert wird?«
»Das klingt ein wenig weit hergeholt«, gab Gemma zu. »Aber wir werden die Spurensicherung bitten, sich ein paar der Skalpelle aus der Praxis zu Vergleichszwecken zu besorgen, falls wir tatsächlich irgendwann die Mordwaffe finden. Schließlich haben wir Weihnachten, und da können Wunder schon einmal vorkommen.«
Cullen war eine Weile still und konzentrierte sich nur auf die Straße. Dann sagte er: »Wie schaffen Sie das nur, nie die Geduld zu verlieren? Ich denke manchmal, mich würde das total verrückt machen, dieses ganze Warten.«
»Ich und geduldig?« Gemma schnaubte verächtlich. »Kincaid würde vor Lachen tot umfallen, wenn er das hören würde. Er ist doch derjenige, der nie aus der Ruhe zu bringen ist und mir dauernd sagt, ich soll mich nicht aufregen. Aber …«
Ihr Lächeln verflog. »Irgendwie wird es mit der Zeit immer leichter. Da kommt man an einen Punkt, wo sich plötzlich alles zusammenfügt, wenn man es nur schafft, die Gedanken auf Leerlauf zu schalten.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß, das hört sich blöd an … Und natürlich muss man erst mal die korrekten Informationen im Kopf haben, damit so was überhaupt passieren kann.«
»Das heißt, man sollte einfach dem Lösungsprozess vertrauen, anstatt die Lösung erzwingen zu wollen? Ist es das, worauf Sie hinauswollen?«
»Ja, ich glaube schon.« Sie sah ihn von der Seite an und lächelte verschwörerisch. »Aber in der Zwischenzeit erledige ich erst mal meine Weihnachtseinkäufe.«
Wie hatte sie es nur geschafft, ihre Weihnachtseinkäufe bis zum letzten Tag aufzuschieben, sodass sie sich nun mit all den anderen durch das hektische Gedränge kämpfen musste? Gemma wusste es nicht, doch sie vermutete, dass ihre Unentschlossenheit ebenso daran schuld war wie die Tatsache, dass sie so viel zu tun hatte. So bahnte sie sich also ihren Weg zum nächsten Kaufhaus und ließ sich mit der Menge die Rolltreppe hoch in die Spielwarenabteilung schwemmen.
Das perfekte Geschenk für Toby entdeckte sie auf den ersten Blick. Eine Feuerwehrausrüstung, inklusive einer kleinen Jacke mit Helm und zwei knallroten Funkgeräten mit einer Basisstation. Toby würde begeistert sein, das wusste sie; aber sie hatte auch nicht damit gerechnet, dass sie ernsthafte Probleme haben würde, etwas Passendes für ihren Vierjährigen zu f inden.
Kit war da schon ein schwierigerer Kandidat – kurz vor der Pubertät, zu alt für die meisten Spielsachen, aber noch nicht ganz reif für die Teenager-Welt, in der man sich hauptsächlich für Musik, Klamotten und Geld begeistern konnte. Sie wanderte zwischen den Regalen umher, überlegte krampfhaft hin
und her und biss sich auf die Fingernägel, während sie ein Geschenk nach dem anderen wieder verwarf. Endlich sprang ihr doch noch etwas ins Auge – ein Wissenschafts-Quiz. Der Karton enthielt Hunderte von Karten (»viele Stunden Spaß zu Hause oder auf Reisen«, wie die Aufschrift versprach), und es war genau die Art von Spiel, die Kit unwiderstehlich finden würde.
Aber war das auch genug, fragte sie sich, als sie mit ihren Einkäufen wieder nach unten fuhr. Dann kam ihr plötzlich eine Idee. Sie blieb am Fuß der Rolltreppe stehen und blockierte den Verkehr, bis ihr jemand aus der nachrückenden Menge einen nicht allzu sanften Schubs gab. In einem der Kartons, die Kit aus Grantchester mitgebracht hatte, war ihr ein ungerahmtes Foto seiner Mutter aufgefallen. Es war ein Schnappschuss, auf dem Vic fröhlich in die Kamera lachte, sprühend vor Lebensfreude und Energie.
Würde sie sich zu rücksichtslos in Kits Gefühlswelt einmischen, wenn sie das Foto für ihn rahmte? Und war er schon so weit, dass er eine solche permanente Erinnerung an seinen Verlust ertragen konnte?
Nun, sie würde es nie erfahren, wenn sie es nicht auf einen Versuch ankommen ließ. Sie würde es tun, beschloss sie, und machte sich gleich auf in die Schreibwarenabteilung, bevor sie es sich noch einmal anders überlegen konnte. Sie wählte einen schönen silbernen Rahmen aus, von dem sie hoffte, dass er die richtige Größe für das Foto hatte, und sah befriedigt zu, wie die Verkäuferin ihn in Seidenpapier einschlug.
Blieb noch Duncan, dachte sie, als sie wieder
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