Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
Mühe gegeben, ihn zu beruhigen, bevor sie wieder zu ihren Patienten geeilt war.
Hatte sie das Richtige getan, als sie Gemma erzählt hatte, was sie gehört hatte? Und was war mit den Sachen, die aus der Praxis gestohlen worden waren? Gavin hatte den Vorfall nicht erwähnt, und wenn Gemma ihn darüber befragte, würde er gewiss erraten können, dass sie es von Bryony erfahren hatte.
Verärgert knallte sie den Putzeimer auf den Boden. Heute
war nicht der geeignete Tag, um sich über Dinge aufzuregen, die man sowieso nicht mehr ändern konnte. Sie hatte schließlich noch einige Weihnachtseinkäufe zu erledigen, aber zuerst musste sie noch die Kartei auf den neuesten Stand bringen. Entschlossen, sich mit voller Konzentration der Arbeit zu widmen, nahm sie an Gavins Schreibtisch Platz.
Als ihr Kugelschreiber mittendrin den Geist aufgab, zog sie geistesabwesend die Schublade auf und wühlte darin herum. Als ihre Finger sich um einen Stift schlossen, sah sie hin und erblickte im hintersten Fach etwas, das wie die Ecke eines Fotos aussah. Bryony wusste sehr wohl, dass es sie nichts anging, und da sie nicht schnüffeln wollte, schloss sie die Schublade wieder. Dann aber besiegte die Neugier ihre Skrupel, und sie zog die Schublade erneut auf, sodass sie das ganze Foto sehen konnte.
Sie starrte das Hochglanzpapier in ihrer Hand an und bekam plötzlich ein ganz hohles Gefühl in der Magengrube. Die Kamera hatte Dawn Arrowood in einem vollkommen unbedachten Moment erwischt. Ihr Gesichtsausdruck war entrückt, ihr Kopf zu Alex hingeneigt, dem sie irgendetwas ins Ohr flüsterte.
Bryony legte das Foto auf den Schreibtisch, riss die Schublade ganz heraus und begann das hinterste Fach zu durchwühlen. Noch mehr Hochglanzaufnahmen fielen ihr in die Hände – Alex, den Arm schützend um Dawns Schultern gelegt, als sie gerade durch die Tür seiner Wohnung trat – Alex und Dawn in seinem Stand auf dem Flohmarkt, wie er ihr mit den Fingern über die Wange strich …
Es gab noch weitere Aufnahmen dieser Art, und wenn auch keine die beiden in einer direkt kompromittierenden Pose zeigte, ließen sie dennoch keinen Zweifel an der Art ihrer Beziehung, und sie waren alle offensichtlich ohne Wissen des Paares entstanden. Hatte Gavin diese Fotos gemacht? Sie musste plötzlich an die Kamera denken, die sie kürzlich auf
dem Rücksitz seines Wagens gesehen hatte, und ein Gefühl der Übelkeit überkam sie.
Warum hätte Gavin Alex und Dawn auflauern und sie ausspionieren sollen? Und warum hatte er die Fotos behalten? Wenn Dawns Mann diese Aufnahmen zu Gesicht bekommen hätte … Sie dachte an die lauten Stimmen, die sie an jenem Tag aus dem Behandlungszimmer gehört hatte, und sie konnte der offensichtlichen Schlussfolgerung nicht mehr ausweichen. Gavin hatte Dawn erpresst.
Fern hatte dreimal an Bryonys Tür geklopft, doch die einzige Antwort war das aufgeregte Bellen von Duchess gewesen. Jetzt, nachdem sie sich überzeugt hatte, dass Bryony nicht zu Hause war, ging sie an der Westseite des Powis Square auf und ab, entschlossen, die Haustür nicht aus den Augen zu lassen, bis sie Bryony kommen sah.
Sie hatte daran gedacht, es in der Praxis zu versuchen, aber Bryony würde doch heute am Heiligabend gewiss nicht so lange arbeiten, und selbst wenn, dann würde sie auf dem Heimweg auf jeden Fall hier vorbeikommen müssen.
Fern blieb am unteren Ende des Platzes stehen und blickte über die Straße hinweg auf die einladende Tür des »Tabernacle«. In dem roten viktorianischen Backsteingebäude war das Gemeindezentrum untergebracht, das nicht nur Tanzund Aerobic-Kurse anbot, sondern auch als Café und Konzertbühne diente. Und es war ein Zufluchtsort für viele Teenager – Fern selbst hatte jedenfalls hier Zuflucht gefunden.
Aber hier konnte sie jetzt keine Hilfe finden, und Fern wandte sich ab. Sie ging wieder bis zum oberen Ende des Platzes, wobei sie Bryonys lavendelfarbene Haustür immer im Blick behielt. Sie hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, wie Bryony ihr eigentlich helfen könnte – sie wusste nur, dass sie mit irgendjemandem reden musste, wenn sie nicht vor Sorge den Verstand verlieren wollte.
Nachdem sie am Samstagabend nach dem Streit mit Alex nach Hause gekommen war und entdeckt hatte, dass der Brieföffner spurlos verschwunden war, hatte sie wieder und wieder versucht, ihn zu erreichen. Doch er hatte ihr weder die Tür aufgemacht, noch war er ans Telefon gegangen, obwohl sein Auto immer noch in der Sackgasse
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