Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
geparkt war. Sie war sogar so weit gegangen, Alex’ ekelhaften Vermieter zu bitten, sie mit seinem Schlüssel in die Wohnung zu lassen, doch der Mann hatte sich geweigert, wobei er angedeutet hatte, er würde es sich vielleicht noch einmal überlegen, wenn sie ihn für seine Mühe entlohnen wollte.
Am Sonntag waren Fern Zweifel gekommen, ob sie sich nicht vielleicht geirrt hatte, was die Sache mit dem Brieföffner betraf, und so hatte sie den Besitzer der Ladenzeile in den Arkaden ausfindig gemacht und sich seinen Schlüssel ausgeliehen, unter dem Vorwand, sie habe etwas in ihrem Stand vergessen, was sie für eine Auktion benötigte.
Aber die gründliche Suche in ihrem Stand hatte den Brieföffner nicht zutage gefördert, und so blieben nur zwei Möglichkeiten: Entweder hatte ein Marktbesucher das Stück mitgehen lassen, als sie gerade nicht hingeschaut hatte, oder Alex hatte es gestohlen. So sehr sie die Hypothese, dass es ein Ladendieb gewesen war, bevorzugt hätte – sie wusste doch um ihre scharfen Augen und ihre schnellen Reflexe; seit sie in dem Geschäft war, hatte sie noch jeden Diebstahlsversuch vereitelt.
Es blieb also nur Alex – und die eine Frage, die ihr seit zwei Nächten den Schlaf raubte: Wenn er den Brieföffner wirklich genommen hatte, wen wollte er dann damit verletzen? Sich selbst oder jemand anders?
Fern stampfte mit den Füßen auf – nicht nur wegen der Kälte, sondern auch aus Frust. Wo zum Teufel steckte diese Bryony? Und wenn Bryony nicht nach Hause kam, an wen konnte sie sich dann wenden? Otto war mit den Mädchen
zum Weihnachtsessen zu den Großeltern gefahren, und auch Wesley war bei seiner Familie. Ihr eigener Vater würde ihr keine Hilfe sein – er konnte ja nicht einmal sich selbst helfen. Auf dem Weg hierher hatte sie in der Suppenküche vorbeigeschaut, in der Hoffnung, dort Bryony oder wenigstens Marc anzutreffen, doch sie hatte alles dunkel und fest verschlossen vorgefunden.
Blieb nur noch diese hyperkorrekte Polizistin, die sie in ihrer Wohnung aufgesucht hatte – wie hieß sie noch mal? Inspector James? Nein, sie würde sich zum Narren machen, wenn sie das täte, sich und Alex – und dann würde er nie wieder mit ihr reden. Es musste eine andere Lösung geben.
Die Straßenbeleuchtung wurde eingeschaltet, und schwankende gelbe Lichtflecke fielen auf den Asphalt. Fern steckte die Hände tief in die Manteltaschen und unterdrückte ein Zittern. Etwas Weiches, Feuchtes berührte ihre Stirn, dann ihre Nasenspitze. Es schneite.
13
Heutzutage ist Notting Hill komplett saniert und yuppifiziert. Und wenn es um die Nähe zum Stadtzentrum geht – ein kleiner Spaziergang die Bayswater Road entlang, und schon ist man am Marble Arch.
Charlie Phillips und Mike Phillips, aus:
Notting Hill in den Sechzigern
Wenn es Anfang 1966 den Anschein gehabt hatte, als seien die Tage von »Swinging London« gezählt, so brachte das unerwartet schöne und warme Wetter dieses Sommers es noch einmal zu voller Blüte. Die Haare wurden länger, die Miniröcke kürzer, und der berauschende Cannabis-Nebel schien bis in die letzten Winkel und Gassen zu ziehen.
Doch für Angel hatten Glanz und Glamour der Londoner Szene zu verblassen begonnen. In letzter Zeit hatten Karls »Geschäftstermine« immer öfter ohne sie stattgefunden. Er hatte in einer Seitenstraße in Kensington einen kleinen Laden eröffnet, doch ihr Angebot, ihm dort zur Hand zu gehen, hatte er umgehend abgelehnt. Stattdessen hatte er ein Mädchen eingestellt, das die Kasse bedienen sollte, eine magere Brünette mit Haaren bis zur Hüfte, und Angel hatte den Verdacht, dass sein Interesse an ihr nicht nur beruflicher Natur war.
Sie war wütend auf ihn, und als sie das nächste Mal zusammen ausgingen, flirtete sie vor seinen Augen mit einem anderen Mann. Karls Reaktion bestand darin, dass er gleich mit ihr nach Hause ging und sich brutal und rücksichtslos über sie hermachte. Als er mit ihr fertig
war, taten ihr sämtliche Glieder weh, und sie konnte sich kaum noch rühren.
Ein paar Wochen später erfuhr sie, dass der junge Mann, dem sie in dem Club schöne Augen gemacht hatte, noch am selben Abend von Straßenräubern überfallen worden war und mit Kiefer- und Beinfrakturen im Krankenhaus lag.
Selbst zutiefst entsetzt über den Verdacht, der sich in ihr regte, redete sie sich ein, dass die Vorstellung einfach absurd sei. Und dann, wenige Monate später, passierte es wieder – ein anderer Club, und ein anderer junger Mann,
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