Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
eigentlich zufrieden sein müsse – schließlich war Weihnachten … es schneite … er war wieder Teil einer Familie …
Aber er hatte von seiner Mutter geträumt, und so sehr er sich tagsüber bemühte, nicht an sie zu denken, so wenig gelang es ihm nun, sie aus seinen Gedanken zu verdrängen.
Ob sie das Gedicht gekannt hatte, das Duncan heute Abend vorgelesen hatte? So etwas hätte ihr bestimmt gefallen, das wusste er genau; sie hatte es geliebt, wenn der Klang der Worte Bilder im Kopf entstehen ließ, die zu der Bedeutung passten.
Hatten seine Mama und Duncan zusammen Weihnachten gefeiert? Er hatte nie sehr viel über die Zeit nachgedacht, die
sie miteinander verbracht hatten, bevor er zur Welt gekommen war – das war ein ausgesprochen komisches Gefühl -, aber jetzt machte der Gedanke ihm Kummer. Sie hatten einander gewiss geliebt. Sie hatten geheiratet, hatten eine Familie sein wollen, aber irgendetwas war schief gelaufen. Wenn seine Mama und Duncan zusammengeblieben wären, könnte sie dann heute noch am Leben sein?
Darüber wollte er gar nicht erst nachdenken. Dann wäre Duncan ja nicht mit Gemma zusammen, und Kit liebte Gemma wirklich – wenn ihm auch dass bloße Eingeständnis das Gefühl gab, seine Mutter zu verraten.
Er streichelte Geordies seidige Schnauze, kniff die Augen fest zusammen und versuchte sich das Schneegestöber draußen vorzustellen – aber stattdessen erinnerte er sich plötzlich an das letzte Mal, als es in Grantchester geschneit hatte. In der Nähe ihres Hauses war ein Abhang, der sanft bis zu einem Treidelpfad am Flussufer abfiel. Er und seine Mama waren dort mit zu Schlitten umfunktionierten Backblechen runtergesaust, johlend und kreischend, und waren unten zusammen in den Schnee gepurzelt. Ihr Gesicht hatte vor Kälte und Glück rosig geglänzt, und er hörte immer noch den hellen Klang ihres Lachens in der klaren Luft.
Aber was ihm noch am deutlichsten in Erinnerung geblieben war, das war der Moment, als sie zusammen oben am Hang gestanden hatten, mit ihren Backblechen in den Händen, und lachend auf die weiße Schneedecke hinuntergeschaut hatten, die sämtliche vertrauten Hügel und Senken verhüllte. Die makellose weiße Fläche war unberührt, bis auf die winzige, dreizehige Spur eines Vogels und die sauber umrissenen Pfotenabdrücke einer Katze oder eines Fuchses in der Nähe der Hecke.
Kit hatte wie angewurzelt dagestanden, und der Gedanke, ein so wunderschönes Bild zu zerstören, war ihm unerträglich erschienen. Und dann hatte seine Mutter ihm zugerufen, er solle nicht herumstehen wie ein Ölgötze, sondern endlich mit
ihr runterfahren. Er hatte seine Bedenken über Bord geworfen und sich in den Schnee gestürzt, und es war ein Riesenspaß gewesen – mit das Beste, was er je erlebt hatte. Und über diesem Gedanken schlief er endlich ein.
Laut Dr. Ling war Arrowood schon mehrere Stunden tot gewesen, doch sie würde die Außentemperatur und andere Umweltfaktoren in ihre Berechnungen einbeziehen müssen, um den Todeszeitpunkt genauer bestimmen zu können. Und sie konnte auch nicht auf Anhieb eine Vermutung bezüglich der Mordwaffe abgeben, bis die Leiche gewaschen war – es war alles voller Blut, und die Wundränder waren zu unsauber.
Sie schätzte allerdings, dass Arrowood im Gegensatz zu seiner Frau nach der Attacke möglicherweise noch eine Zeit lang gelebt hatte; allerdings hatte der starke Blutverlust seinen verzweifelten Bemühungen, Hilfe zu holen, bald ein Ende gemacht.
All das überraschte Kincaid und Gemma nicht sonderlich. Ihre Frustration verstärkte sich noch, als die Spurensicherung ihnen meldete, dass das Haus keine Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen aufweise. Die Haustür war verschlossen gewesen, und Arrowoods Schlüssel waren nicht weit von der Leiche in der Einfahrt gefunden worden; es sah aus, als habe er sie bei dem Kampf fallen gelassen.
Die Streifenbeamten, die als erste am Tatort eingetroffen waren, hatten festgestellt, dass die Fahrertür des Mercedes in der Tat nicht ganz geschlossen war und die Innenraumbeleuchtung brannte.
»Der Täter muss sich auf ihn gestürzt haben, als er gerade die Wagentür aufmachen wollte«, sagte Kincaid, als sie in Gemmas angenehm geheiztem Büro ihre Mäntel auszogen.
»Wenn die Tür richtig zu gewesen wäre, dann hätte er vielleicht dort unter dem Schnee gelegen, bis ihn irgendjemand vermisst hätte.«
»Sieht so aus – zumal der Typ, den Mrs. Du Ray hat herumschleichen sehen, offenbar
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