Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
gehabt.«
Anfangs war Angel entschlossen, zu Ninas Verhandlung zu gehen, auch wenn Nina ihre Unterstützung nicht wünschte, einfach nur, um Karl die Stirn zu bieten. Aber als der Termin dann näher rückte, musste sie feststellen, dass sie nicht die Kraft hatte, sich Ninas Hass ein weiteres Mal auszusetzen.
Und mit Karl war es in letzter Zeit nicht einfach gewesen; er hatte sie mit Argusaugen beobachtet, hatte sie ständig kontrolliert. Den ständigen Heroinvorrat hatte er aus der Wohnung entfernt, wobei er steif und fest behauptet hatte, es sei nur eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall einer Polizeirazzia. Stattdessen brachte er ihr immer nur gerade genug für einen Tag. Der Stoff, den er ihr gab, war stärker als der, den sie gewohnt war, und sie hatte den Verdacht, dass er im Lauf der Wochen immer noch ein bisschen stärker wurde. Wenn sie so weitermachte, würde sie dann eines Tages das Bewusstsein verlieren, würde sie vielleicht gar an einer Überdosis sterben? Wie ausgesprochen praktisch für ihn – eine saubere Lösung für das Problem mit dem Mädchen, das zu viel wusste.
Eines Tages, der Sommer ging bereits zur Neige, wollte sie Evan besuchen. Sie fand ihn im Vorgarten seiner Großmutter, wo er allein spielte. Doch als sie sich neben ihn kniete, um ihn in die Arme zu nehmen, machte er sich ganz steif und riss sich von ihr los. »Du hast mir meine Mama weggenommen!«, schrie er sie an. »Es ist alles deine Schuld. Das sagt meine Oma.«
Sie packte seine Schultern. »Nein, Evan, das stimmt nicht! Ich würde dir niemals so wehtun! Ich liebe dich. Sieh doch -« Sie klappte ihr Medaillon auf. »Ich habe immer noch dein Bild.«
Einen Augenblick lang glaubte sie, zu ihm durchgedrungen zu sein. Dann spuckte er ihr ins Gesicht.
Die Verhandlungen fanden im Oktober 1969 statt. Das Gericht ließ keine Gnade walten. Nina und Neil wurden zu Haftstrafen verurteilt, die sie in verschiedenen Gefängnissen absitzen mussten.
Anfangs schickte Angel Nina alle paar Wochen einen Brief, doch sie kamen alle ungeöffnet zurück. Im Januar hörte sie von einer gemeinsamen
Freundin, dass Nina krank sei, sie habe eine schwere Erkältung. Und dann, wenige Wochen darauf, rief die Freundin sie an, um ihr zu sagen, dass Nina gestorben war. Offenbar hatte sie an einer Lungenentzündung gelitten, die aber von den Gefängnisärzten erst diagnostiziert worden war, als es bereits zu spät war.
Angel hatte den Schock von Ninas Tod noch nicht verwunden, als sie eine Woche später erfuhr, dass Neil Byatt eine Möglichkeit gefunden hatte, sich in seiner Zelle zu erhängen. Der arme, melancholische Neil, der seine Frau so abgöttisch geliebt hatte, dass für alle anderen, einschließlich seines Sohnes, nichts übrig geblieben war – er hatte ohne sie nicht weiterleben können.
Da wurde Angel mit einem Mal klar, dass sie nur zwei Möglichkeiten hatte. Sie konnte Neils Beispiel folgen – oder sie konnte Karl verlassen, ohne sich um die Konsequenzen zu kümmern.
Für die erste Möglichkeit fehlte ihr der Mut. Wenn sie die zweite wählte, dann würde sie es auf der Stelle tun müssen, solange sie noch so entschlossen war. Sie stopfte ihre wenigen Habseligkeiten in eine Tasche, darunter die paar Schmuckstücke ihres Vaters, die sie über die Jahre aufbewahrt hatte; dann machte sie einen Rundgang durch die Wohnung und dachte sich, wie wenig sie ihr doch ihren Stempel aufgedrückt hatte. Es war Karls Wohnung – die Ausstattung, die Möbel, die Kunstwerke – am Ende hatten ihre Beiträge alle keine Rolle gespielt. Sie war einfach unbedeutend.
Und dann kam Karl zur Tür herein, Stunden früher als erwartet.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus. »Was machst du denn hier?«
»Ich habe mir gedacht, ich mache den Laden einfach etwas früher dicht. Und dürfte ich wohl fragen, was du da machst?« Seine Stimme hatte diesen leicht amüsierten Unterton, der in letzter Zeit für ihre Unterhaltungen typisch geworden war – als ob es ihm undenkbar erschiene, sie ernst zu nehmen.
Sie war plötzlich wütend. »Ich gehe fort, was denn sonst? Wusstest du, dass Nina und Neil beide tot sind?«
»Natürlich. Hat das eine irgendetwas mit dem anderen zu tun?«
»Das weißt du verdammt gut. Du hast sie absichtlich geopfert, um
deine eigene Haut zu retten, und damit kann ich nicht länger leben – und mit dir.«
»Du gehst nicht«, sagte er, immer noch mit dem Anflug eines Lächelns.
»Doch, das tue ich. Willst du etwa versuchen, mich daran zu
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