Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None
glauben, als ich es in den Nachrichten gehört habe.« Er begrüßte Gemma mit einem herzlichen Händedruck, doch der Blick, mit dem er sie ansah, war kritisch und abschätzend. »Ich helfe Ihnen gerne, wenn ich kann.«
»Können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten, Mr. Farley?«
»Kommen Sie doch mit in mein Sprechzimmer.« Sie folgte ihm, und Farley schloss die Tür des kleinen Raumes, in dem
ein Schreibtisch und Aktenregale standen. Gemma kramte ein Notizbuch und einen Stift aus der Tasche.
»Kam Mrs. Arrowood regelmäßig zu Ihnen in die Praxis, Mr. Farley?«
»Mehr als regelmäßig, könnte man sagen. Ihr Mann hatte ihr nicht erlaubt, die Katze im Haus zu halten, und so hat sich Tommy ständig mit anderen Katzen gebalgt – und meistens den Kürzeren gezogen, fürchte ich. Alle paar Wochen hat sie ihn herbringen müssen – mit einem Abszess, einem Riss im Ohr, einer Augenentzündung. Wir haben uns natürlich immer gefreut, Dawn zu sehen.«
»Kannten Sie auch Mr. Arrowood?«
»Nein. Er ist nie mitgekommen, auch nicht die paar Male, als das Tier ernstlich verletzt war. Schien mir ein eher unsympathischer Mensch zu sein, wenn Sie mich fragen.«
»Und sind Sie Dawn Arrowood je außerhalb der Praxis begegnet?«
»Nein. Ich wohne in Willesden, also war es nicht sehr wahrscheinlich, dass wir uns zufällig über den Weg laufen würden.« Wenn Farley sich bewusst war, dass sie auf mehr als nur eine lockere Bekanntschaft angespielt hatte, dann ließ er sich jedenfalls nichts anmerken.
»Und am Freitag, ist Ihnen da irgendetwas Ungewöhnliches an ihrem Verhalten aufgefallen?«
Zum ersten Mal nahm Gemma so etwas wie ein Zögern wahr. »Sie schien tatsächlich aufgeregter als sonst wegen ihrer Katze, obwohl es nur eine harmlose Verletzung war. Ich erinnere mich sogar, dass ich sie gefragt habe, ob ihr etwas fehle.«
»Und?«
Farleys Blick schnellte zur Tür, bevor er ihn erneut auf Gemma richtete und beiläufig mit den Schultern zuckte – zu beiläufig. »Sie sagte, es gehe ihr gut. Sie dankte mir sogar für die Nachfrage. Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie
tot ist – und dass irgendjemand es fertig bringt, so etwas Furchtbares zu tun.«
»Sicherlich fällt es allen schwer, die sie gekannt haben, Mr. Farley. Aber warum habe ich bloß das Gefühl, dass Sie mir nicht die Wahrheit sagen?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Warum sollte ich in einem Fall wie diesem Lügen verbreiten?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Gemma. »Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich es herausfinden werde.«
An diesem Montagmorgen wartete Kincaid ab, bis der Berufsverkehr sich ein wenig gelegt hatte, bevor er und Doug Cullen einen Rover aus dem Fuhrpark von Scotland Yard ausliehen und damit in Richtung Norden fuhren. Cullen saß am Steuer, was Kincaid gestattete, in aller Ruhe dem geschäftigen morgendlichen Treiben der Stadt zuzusehen. Seit Tagesanbruch hatte sich immer wieder mal die Sonne blicken lassen, doch Kincaid hatte das Gefühl, dass die leichte Wetterbesserung nur von kurzer Dauer sein würde.
Südlich von Hendon fuhren sie auf die M1, und bald schon kamen sie an der kleinen Domstadt St. Albans vorbei. »Haben Sie mir nicht erzählt, dass Ihre Eltern in St. Albans leben?«, fragte Kincaid seinen Kollegen. »Sieht ja nett aus.«
»Die reinste Kleinstadthölle«, entgegnete Cullen und verzog das Gesicht. »Bridgeabende und steife Abendgesellschaften und absolut null Freizeitangebot für Leute unter vierzig. Ich verstehe immer noch nicht, wie meine Eltern überhaupt auf die Idee kommen konnten, sich dort niederzulassen – und auch noch glaubten, sich was darauf einbilden zu können.«
»In Ihnen steckt wohl immer noch etwas von dem alten Rebellen, was?«
Cullen warf ihm einen Seitenblick zu. »Ich habe immer angenommen, dass die meisten Leute so über den Lebensstil ihrer Eltern denken.«
»Ich weiß nicht«, meinte Kincaid nachdenklich. »Ich bin fast ein wenig neidisch auf das Leben, das meine Eltern führen. Aber vor zwanzig Jahren konnte ich es gar nicht erwarten, den Provinzmief hinter mir zu lassen.«
»Und jetzt würden Sie gerne wieder dorthin zurückgehen?«
»Vielleicht um dort zu wohnen, ja. Aber nach den Jahren bei der Metropolitan Police plötzlich in einer Kleinstadt-Polizeiinspektion zu arbeiten, das würde mir schon etwas schwerer fallen.« Kincaid fiel wieder ein, dass er ja bald einmal mit Gemma und den Kindern seine Eltern in Cheshire besuchen wollte – vielleicht im
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