Der Rache Suesser Klang
eingedrungen, und als sie erwachte, stellte sie fest, dass es gar kein Traum war. Zum dritten Mal in dieser Nacht hatte er sie zum Höhepunkt gebracht, und tatsächlich war der einzige Name, an den sie sich in diesem Moment erinnern konnte, der seine gewesen.
Aber nun musste sie wieder arbeiten. Sie war einen ganzen Tag nicht im Haus gewesen. Und sie musste Dr. Lees Familie anrufen, dachte sie ernüchtert. Ihnen anbieten, bei der Beerdigung zu helfen. Außerdem würde Beverly heute nach Kalifornien abreisen. Sie musste die Frau zum Busbahnhof bringen. Und das war eine Sache, die sie sehr gerne tat – eine Frau zu verabschieden, die ein neues Leben beginnen wollte.
Mia hatte ihr gesagt, sich dem Hanover House nicht zu nähern, falls man ihr folgte, aber Dana sah nicht ein, dass sie auf das eine, was sie am liebsten tat, verzichten sollte. Beverly würde sie am Busbahnhof treffen müssen. Dana nahm das Hoteltelefon vom Nachttisch. »Evie?«
»Wo bist du gewesen?«, explodierte Evie. »Wir haben überall nach dir gesucht. Du hast mich zu Tode erschreckt.«
»Oh, das tut mir leid.« Und das war die Wahrheit. Sie war gar nicht auf die Idee gekommen, dass jemand sich Sorgen um sie machen könnte. Aber nach dem, was mit Caroline und Dr. Lee geschehen war, hätte sie es tun müssen. »Evie, du hast Recht, das war absolut gedankenlos von mir. Ich wollte euch keine Angst machen. Mit mir ist alles in Ordnung.«
»Ich habe die Handynummer angerufen, die du mir gegeben hast, aber du bist nicht drangegangen.«
Dana zog die Brauen zusammen, aber dann fiel ihr ein, dass Ethan ihr den Rock hochgezogen hatte, als sie auf dem Sofa gesessen hatte. Wahrscheinlich war es herausgefallen. »Ich muss es im anderen Zimmer liegen gelassen haben. Ich war heute Nacht bei einem Freund.«
»Bei welchem Freund?«, fragte Evie misstrauisch. »Bei Mia warst du nicht, und sie wusste auch von nichts.«
»Du kennst ihn noch nicht.«
Verblüfftes Schweigen. »Du hast einen
Freund
und ihn mir noch nicht vorgestellt?«
»Du und ich sind diese letzte Woche nicht gerade freundschaftlich miteinander umgegangen, Evie«, sagte Dana trocken.
»Nein, wohl nicht.« Evies Stimme klang genauso trocken. »Jedenfalls musst du David anrufen, sobald wir aufgelegt haben. Er ist krank vor Angst, und er hat Caroline die ganze Nacht angelogen, dass er mit dir gesprochen habe und sie sich keine Sorgen zu machen bräuchte. Du hast uns echt auf Trab gehalten letzte Nacht.«
Dana seufzte. Sie hätte daran denken müssen. »Ich ruf ihn an, versprochen. Evie, Mia will nicht, dass ich zum Hanover House komme. Sie denkt, Goodman könne mir dort irgendwo auflauern. Ich will aber auch nicht, dass du hinausgehst, und du musst die Türen verschlossen halten. Denk bitte auch an die Küchentür. Du vergisst sie immer.«
»Heute nicht. Was ist mit Beverly? Sie hat gepackt und ist abfahrbereit.«
»Sie soll mich in einer Stunde in Betty’s Coffeehouse treffen. Ich bringe sie von dort zum Bus. Ihre Papiere sind in meinem Schreibtisch eingeschlossen. Du weißt, wo der Schlüssel ist.«
»Ich gebe sie ihr. Dana, was Dr. Lee angeht … es tut mir leid.«
Die Trauer wallte auf, und Dana schluckte entschlossen. »Ich weiß, mir auch. Evie, mir tut vieles leid. Ich weiß, ich sage es nicht oft genug, aber ich liebe dich.«
Dana hörte, wie Evie sich räusperte. »Ich liebe dich auch.«
Chicago
Mittwoch, 4. August, 9.00 Uhr
Security Manager Bill Bush stellte einen Becher Kaffee neben den Monitor, auf den Ethan einmal mehr seit Stunden starrte. »Sie sind der hartnäckigste Privatermittler, der mir je begegnet ist.«
»Danke.« Ethan meinte es so, denn der Kaffee war genau das, was er jetzt brauchte. »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass unsere Naturgesetze die Frau, nach der ich suche, daran gehindert haben müssen, einfach vom Erdboden zu verschwinden. Da sie den Busbahnhof am Freitagmorgen nicht verlassen hat, muss sie in einen anderen Bus eingestiegen sein.«
»Kommt mir wie eine logische Schlussfolgerung vor.« Bush setzte sich in einen knarzenden Stuhl.
»Ich weiß, dass sie Montagmorgen in Chicago war, denn da hat sie von hier eine E-Mail an den Vater des Jungen geschickt.« Ethan hatte sich die Geschichte sorgsam ausgedacht und auswendig gelernt. Er hatte Bush erzählt, dass sie nach einer Mutter suchten, die gegen die Sorgerechtsbestimmung verstoßen hatte. Natürlich hatten sie nicht gesagt, dass sie nach dem Gesicht der Frau suchten. Sie hätten wissen
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