Der Rache Suesser Klang
Leiche. »Sie werden ihn umbringen, Ethan.« Langsam richtete er sich wieder auf. »Wenn du es nicht für mich tust, dann tu es für Richard. Das wenigstens schuldest du ihm.«
Ethan sog langsam die Luft ein. Er erinnerte sich nur allzu gut an die letzten Augenblicke, bevor er das Bewusstsein verloren hatte, nachdem ihr Fahrzeug auf die Mine auf der Straße von Kandahar gefahren war. Richard hätte ihn liegen lassen, hätte sich retten müssen. Aber er hatte es nicht getan. Er war geblieben und hatte gekämpft, hatte mit seinem Körper Ethans gedeckt und die Kugeln abgefangen, die der Feind aus dem Hinterhalt auf sie abfeuerte. Richard war geblieben, und er hätte es für jeden getan, nicht nur für seinen besten Freund. Weil Richard eben genau so ein Mensch gewesen war. Und er hätte sich bereits auf die Suche nach Alec gemacht.
Ethan wandte langsam den Kopf und blickte auf die grausam zugerichteten Überreste eines ehemals gesunden, jungen Mannes. Auf die Leiche, die hier zurückgelassen wurde, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen. Aber obwohl Ethan um Alec fürchtete, war er nicht blind vor Sorge. Er stieß den Atem aus. »Also gut. Aber ich kann das nicht allein machen. Du musst mir zugestehen, meinen Partner anzurufen. Clay war nach der Armee ein Cop. Er weiß, was zu tun ist.«
Stan schüttelte vehement den Kopf. »Nein. Keine Polizei. Er wird es melden. Er wird alles sagen.«
»Stan, hör mir zu. Ich bin Computerspezialist. Ich kümmere mich um Rechner und deren Sicherheit, Himmelherrgott. Ich habe keine Ahnung von Spurensuche und -auswertung, aber Clay schon. Er war ein Bulle, und zwar ein verdammt guter. Ich könnte nicht mit dem Gedanken leben, dass mir etwas entgangen ist, was Alec hätte retten können. Clay wird deinen Sohn nicht noch zusätzlich in Gefahr bringen, das verspreche ich dir.«
Stan schloss die Augen. »Wie schnell kann er hier sein?«
»Er braucht drei Stunden von Washington, D. C.«
»Dann ruf ihn an. Und sag ihm, er soll sich beeilen.«
Wight’s Landing
Freitag, 30. Juli, 22.30 Uhr
Ethan trat hinaus auf die Veranda, als Clay Maynards Wagen auf der Auffahrt zum Stehen kam. Der Wind hatte gedreht und der Gestank etwas nachgelassen. Aber vielleicht hatten sie sich auch nur schon daran gewöhnt.
Clay stieg aus dem Wagen und verzog das Gesicht, und Ethan kam zu dem Schluss, dass Letzteres der Fall war.
»Das ist nicht in Ordnung, Ethan«, sagte Clay ohne Umschweife.
»Das weiß ich.« Ethan hatte an nichts anderes gedacht, seit er Clay vor ein paar Stunden hergebeten hatte. Sie waren Geschäftspartner und Freunde, und beide Beziehungen setzte er aufs Spiel, indem er Clay in diese Geschichte verwickelte. »Gib mir meinen Laptop und fahr zurück nach D. C.«
»Mist.« Clay fuhr sich müde mit der Hand über das Gesicht. Seine Bräune sah im Mondlicht fahl aus. »Das hier wird Richard nicht zurückbringen, das weißt du.«
Ethans Kiefer verspannten sich gegen den Ärger, der in ihm aufstieg. Es war nicht fair von Clay, die Situation auf ein allgemeines Schuldgefühl zu reduzieren. »Hier geht es nicht um Richard, sondern um Alec. Und wenn du nicht helfen willst, dann gib mir meinen Laptop und geh mir aus dem Weg.«
Clay kam näher, blieb vor der Veranda stehen und schaute verärgert zu ihm auf. »Reiß dich zusammen, Ethan. Das ist ein Job für das FBI , nicht für uns. Jede Minute, die wir die Sache für uns behalten, bringt Alec in noch größere Gefahr. Wenn dir an diesem Jungen wirklich etwas liegt, dann rufst du die Bullen.«
Ethan holte tief Luft und schmeckte McMillans verwesenden Leichnam. Und spürte die ihm nun schon vertraute Mischung aus heißer Angst und kalter Wut in sich aufsteigen. Langsam ging er die Treppe hinunter, bis er Clay in die Augen blicken konnte. »Dieser Junge ist mein Patenkind.«
Clays Blick flackerte. »Ich dachte, es war Richards.«
»Du hast Recht.« Ethan presste die Worte zwischen den Zähnen hervor. »Es
war
Richards. Aber Richard ist
tot,
und wie du so passend bemerkt hast, wird nichts ihn zurückbringen. Nachdem er gestorben war, bat Randi mich, das zu übernehmen. Stan wollte es natürlich nicht, weil er der Meinung war, ich wäre einer solchen Verantwortung nicht wert, aber Randi setzte sich durch, also bin jetzt ich es.« Die Kehle wurde ihm eng, als er an den Augenblick vor zwei Jahren dachte, als das Wenige, was von seiner Freundschaft mit Stan geblieben war, endgültig zerbrochen war.
»Mein
Patenkind
ist von Leuten
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