Der Rache Suesser Klang
Mitte durchzureißen. Sie starrte auf ihre Hände herab. »Nein. Das ist etwas, das ich tun muss. Es ist mein … Leben. Das ist alles.«
Caroline nahm Danas Hände und strich ihr mit den Daumen über die Innenflächen. »Sieh mich an, Dana, sieh mich an.« Dana hob langsam den Blick und betrachtete Carolines eindringliche Miene. »Deine Hände sind rein, Dana. Glaubst du nicht, dass du dir ein eigenes Leben verdient hast? Glaubst du nicht, dass auch du es verdient hast, glücklich zu sein?«
Die Frage traf sie härter als die Bank. Dana öffnete den Mund, aber es wollte kein einziger Laut herauskommen, und Carolines Augen wurden traurig. »Geh und schlaf ein bisschen, Dana. Vielleicht kannst du klarer sehen, wenn du nicht mehr so erschöpft bist.«
Chicago
Sonntag, 1. August, 11.00 Uhr
Evie hielt vor dem Spiegel im Flur inne und betrachtete sich. Das Make-up war perfekt, man sah nichts von der verdammten Narbe. Lächeln würde sie nicht müssen. Das war das Gute an Beerdigungen. Sie presste die Lippen zusammen, während sie sich kritisch musterte.
Sie wollte verdammt sein, wenn sie nicht zu Lillians Beerdigung ginge. Hätten sie und Dana ihre Arbeit richtig getan, würde Lillian jetzt noch leben. Sie würde zum Gottesdienst gehen und sich ganz nach hinten setzen. Erst kommen, wenn die Feierlichkeiten schon begonnen hatten, und wieder gehen, bevor es zu Ende war. Niemand würde sie sehen, und Dana konnte in Ruhe ihre Paranoia pflegen.
Sie wandte sich der Tür zu, als sie ein leises Hüsteln hinter sich hörte. Sie fuhr erschreckt zusammen.
»Jane.« Ihr Puls beruhigte sich wieder. Evie musterte die Frau, die hinter ihr gestanden hatte. Sie war seit Freitag im Haus, die zehnte Jane Smith, die in diesem Jahr hier gewesen war. Evie wünschte, die Frauen würden in ihrer Namenswahl mehr Kreativität beweisen. »Was kann ich für dich tun?«
Jane rang nervös die Hände. »Nichts. Ich warte, bis du zurückkommst.«
Evie zog einen Mundwinkel zu dem Dreieckslächeln hoch, das sie im Spiegel sorgsam eingeübt hatte. »Ich werde eine ganze Weile weg sein. Ich muss auf eine Beerdigung. Was brauchst du denn?«
»Ich wollte nur wissen, ob ich Benadryl für Erik haben kann. Er kriegt Ausschlag.«
Armer Junge. Tat nichts anderes, als auf dem Bett zu liegen und vor sich hin zu dämmern. Für das, was dem Jungen angetan worden war, würde jemand bezahlen müssen. »Geh schon rauf zu ihm. Ich bringe dir was.«
Chicago
Sonntag, 1. August, 11.15 Uhr
Der Plan und seine Ausführung waren perfekt. Besser konnte es nicht laufen. Sie befand sich an einem Ort, an dem James niemals suchen würde. Langsam stieg sie hinauf zu dem kleinen Zimmer, das man ihr am Freitag gegeben hatte, und betrachtete den Jungen, der noch immer auf dem Bett lag. Er wachte gerade auf.
»Das geht gar nicht«, murmelte sie. Sie holte eine von den Pillen aus ihrem Rucksack und brachte ihn dazu, sie zu schlucken. Im Badezimmer der Vaughns hatte sie zwei Flaschen davon gefunden. Sie hatte versucht, aus Rickman mehr über die Medikamente des Jungen herauszubekommen, aber nachdem die Frau gesehen hatte, wie ihr Verlobter seine Schädeldecke einbüßte, hatte sie nicht mehr klar denken und Sue nicht wirklich helfen können.
Die Internetrecherche, die sie betrieben hatte, als sie in Morgantown im Netz war, hatte bessere Resultate hervorgebracht. Keppra war das wirksamere Mittel, aber Phenobarbitral konnte ein Kind betäuben, wenn es in großen Dosen verabreicht wurde. Der Junge sollte schlafen. Er durfte keine Anfälle kriegen, die die Aufmerksamkeit anderer auf sie ziehen würde, aber er sollte auch nicht sterben.
Es war notwendig, dass der Junge atmete. Wenigstens noch eine Woche. Also hatte sie ihm genügend Keppra gegeben und die Pheno-Menge verdoppelt. So hatte er den ganzen Weg bis nach Chicago geschlafen. Aber langsam gingen ihr die Drogen aus.
Annehmen, anpassen, verbessern.
Ihre Mutter hatte gewöhnliches, rezeptfreies Bendryl mit Wein vermischt, um Bryce den Mund zu stopfen, als sie noch klein gewesen waren, und was für ihre Mutter gut war, musste auch für sie reichen. Sie würde das Pheno mit Benadryl strecken, bis sie eine Möglichkeit bekam, ihre Vorräte aufzustocken. Und das Aufstocken war, wenn sie den anderen Frauen in diesem Haus hier glauben konnte, kein echtes Problem. »Frag einfach Dana«, hatte die Frau im Zimmer nebenan gesagt.
Dupinsky war allerdings gestern Abend mit dem Benadryl etwas pingelig gewesen. Hatte ihr bloß
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