Der Rache Suesser Klang
gefürchtet. Einen verdammten winzigen Gefallen, um mehr hatte sie nicht gebeten. Einen Gefallen, für den sie erst vor zwei Tagen in mehr als einer Hinsicht bezahlt hatte. »Was willst du?«
Er lachte leise. »Ich wollte nur mal hören, wie’s dir geht, Baby. Ist das Haus okay?«
»Ja.«
»Und? Haben sie dir geglaubt? Habe ich gute Arbeit geleistet?«
Sue beäugte ihr Spiegelbild über dem Waschbecken. Die Prellungen und blauen Flecken, die er ihr mit großer Freude beigebracht hatte, begannen gerade zu verschwinden. Aber sie waren nötig gewesen, um Dupinsky und Tammy zu überzeugen.
Sie hatte wissen müssen, wie sie zu dem Frauenhaus kam, von dem ihr Tammy so viele Male während ihrer fünfjährigen Zellenzeit in Hillsboro erzählt hatte. Das Frauenhaus, in dem Tammy sich versteckt gehalten hatte, bevor sie nach Hause zurückgekehrt war und ihren Mann umgebracht hatte. Tammy hätte ihr die Geschichte ohne die Prellungen niemals abgenommen, hätte ihr niemals die Nummer von Hanover House gegeben, wenn sie nicht sicher gewesen wäre, dass Sue in echter Gefahr war. Das war das Problem mit Menschen, die impulsiv töteten. Wenn sie wieder bei Verstand waren, neigten sie dazu … Skrupel zu haben. Sue verzog das Gesicht, als schmerzte sie das Wort. »Ja, sie haben mir geglaubt. Ich muss jetzt Schluss machen.«
»Nicht so schnell, Baby. Ich bin heute meine Runde gegangen, und Tammy hat nach dir gefragt. Sie wollte sichergehen, dass es dir gut geht.« Ein Lachen klang in seiner Stimme mit, und sie wusste, dass das, was nun kam, ihr nicht gefallen würde. »Ich habe ihr versprochen, mich selbst nach dir zu erkundigen.«
Fred war die beste Möglichkeit gewesen, Tammy die Nachricht zu überbringen. Sue hatte keine große Lust gehabt, zur Besuchszeit nach Hillsboro zurückzukehren, selbst wenn man sie durch die Tore gelassen hätte, was keinem ehemaligen Insassen gestattet war. Fred war Wachmann in ihrem Zellenblock gewesen und hatte zuverlässig von draußen alles besorgt, was man haben wollte – natürlich zu einem gewissen Preis. Fred war nicht gerade Hollywoodmaterial, aber auch kein hässlicher Vogel wie viele der anderen Wachen, so dass die meisten Mädchen keine großen Bedenken hatten, seinen Forderungen nachzukommen. Sue allerdings schon. Jedes verdammte Mal.
Am Morgen von Sues Entlassung hatte er sie mit in den Lagerraum genommen, um noch einmal »ein bisschen zu schmusen«, wie er es so gern nannte – nur um der alten Zeiten willen. Als er fertig war, hatte er ihr gesagt, sie solle ihn anrufen, wenn sie jemals etwas von ihm brauchte.
Und das hatte sie getan. Sie hatte ihn von Columbus angerufen und gebeten, sie an der Busstation in Indianapolis zu treffen, aber er war nicht aufgetaucht, der Mistkerl, und sie hatte, während sie wartete, den Bus nach Chicago verpasst. Schließlich hatte sie den Bus am Freitagmorgen nach Chicago nehmen müssen, war im Anschluss in den Bus umgestiegen, den regelmäßige Besucher »Gefängnis-Express« nannten, und hatte eine Taxifahrt später auf Freds Türschwelle gestanden.
Sie hatte Fred erklärt, dass sie ein paar überzeugende Prellungen im Gesicht brauchte, ein Polaroid als Beweis und einen Briefumschlag, in den sie das Foto und eine Nachricht stecken konnte. Nachdem sie das Kind ins Bad eingesperrt hatte, bezahlte sie Freds Preis, biss die Zähne zusammen, als er sie auf ihre Bitte hin verprügelte, und wartete anschließend, als er sich auf den Weg zum Gefängnis machte.
Ein paar Stunden später war er zurück. Tammy hatte ihr die Geschichte abgekauft, und Sue war in Besitz der Telefonnummer, die sie benötigte. Sie und der Junge waren wieder in den Bus nach Chicago eingestiegen und hatten einige Stunden später Dana Dupinsky am Bahnhof getroffen. Alles in allem war alles recht glatt gegangen. Bis auf die Sache mit Fred. Er war ein Störfaktor, und Störfaktoren waren eine ärgerliche Sache. Sie hätte ihn am Freitagnachmittag in seiner Wohnung erledigt, wenn er nicht ebenfalls bewaffnet gewesen wäre.
»Sag Tammy, mir geht’s gut. Ich muss jetzt Schluss machen.«
»Nicht so hastig«, wiederholte er. »Nun, da du da bist, tust du mir einen Gefallen.«
»Evie!«
Sue fuhr zusammen. Der Ruf war direkt vor der Badezimmertür ertönt. »Da ist jemand«, flüsterte sie. »Ich muss jetzt Schluss machen.«
»Aber denk daran, dass auch ich die Telefonnummer habe, Herzchen. Ein Anruf von mir, und du und der Junge, wer immer das ist, fliegt auf. Ruf mich später
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