Der Rache Suesser Klang
ganzen Heimweg lamentieren zu hören, wenn du dich jetzt weigerst.« Und hob die Zeitung wieder, bevor sie protestieren konnte.
Dana klatschte die Schlüssel in Carolines ausgestreckte Hand. »Sie heißt Shauna Lincoln.«
»Ich kümmere mich drum.« Sie drückte Dana an sich. »Ruf mich morgen an.«
Dana drückte sie auch, eher dankbar als verärgert. Dies war ein Schritt, den sie allein in den nächsten Tagen wahrscheinlich nicht gegangen wäre. Wenn überhaupt jemals. »Und mach das ja nie wieder.« Sie rüttelte an Max’ Zeitung. »Dank dir, Max.«
»Iss keine Zwiebeln. Vielleicht will er dich küssen«, sagte er trocken.
Dana verdrehte die Augen und ging davon, hörte jedoch noch Carolines Kichern. Ethan wartete ein paar Schritte entfernt und sah ihr entgegen, und beinahe augenblicklich stand ihr Körper in Flammen. Er hatte auf ihre Brüste gestarrt. Allein der Gedanke sensibilisierte sie, und Dana brauchte nicht an sich herabzuschauen, um zu wissen, dass man durch ihr bescheidenes Poloshirt harte Brustwarzen sehen konnte. Sie wollte schon ihre Arme verschränken, beschloss dann aber, es nicht zu tun. Er war eindeutig interessiert, und das war sie auch. Schüchterne Frauen erlebten keine Abenteuer.
Er schluckte, als sie vor ihm stehen blieb. Versuchte zu lächeln. Müdigkeit und Sorge verdunkelten noch immer seine Augen, aber nun lag eine Schärfe darin, die vorher nicht da gewesen war. Vielleicht gelang es ihnen, sich gegenseitig für eine Weile die Sorgen zu vertreiben. Und das schadete doch schließlich niemandem.
Er blickte zu der Stelle, wo Dana Caroline vermutete. »Hat sie versucht, Sie dafür zu bezahlen, damit Sie mit mir essen gehen?«
Dana schüttelte den Kopf. »Kirmesgeld«, sagte sie mit heiserer Stimme.
»Sie haben es nicht genommen.«
»Ich nehme nie Geld von ihr. Ich habe genug, um mit der EL nach Hause zu kommen.«
»Ich fahre Sie.«
Seine Stimme war so leise wie eine Liebkosung, und sie schauderte. »Vielleicht. Aber wie wär’s jetzt mit echtem Chicagoer Essen?«
Er grinste. »Kriegt man da auch Gemüse? Nicht, dass Sie Skorbut kriegen.«
»Pommes frites sind Kartoffeln, und Kartoffeln sind Gemüse. Kommen Sie. Wir fahren nach Wrigleyville. Mit der EL .«
»Ich habe ein Auto.«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir nehmen die Hochbahn.« Und wartete auf seine Ablehnung.
Aber er betrachtete sie nur einen Moment lang mit seinen ruhigen grünen Augen, wodurch ihre Körpertemperatur um ein paar Grad anstieg. »Alleinstehende Frau. Vorsicht. Schon verstanden. Wir nehmen die EL .«
Chicago
Sonntag, 1. August, 22.45 Uhr
S ue schloss leise die Bürotür hinter sich. Dupinsky war unterwegs, eine neue Klientin abzuholen, und Scarface hatte sich schmollend in ihr Zimmer eingeschlossen. Dupinsky hatte ein gutes Schloss in der Tür. Sue konnte die meisten Schlösser in zehn Sekunden knacken. Für dieses hatte sie elf gebraucht.
Sue konnte eine neue Identität bekommen, wenn sie danach fragte. Dupinsky schien zu glauben, dass es sich um ein ganz tolles Geheimnis handelte, aber laut Zellengenossin Tammy wusste es jeder. Aber aus Loyalität zu der Leiterin sagte niemand etwas. Niemand wusste, woher Dupinsky die falschen Pässe bekam, aber auf der Basis des Laminiergeräts und der Rasierklingen auf dem Tisch konnte Sue sich ihren Teil denken.
Das Schloss an der Schreibtischschublade ging leicht auf. Im Inneren fand sie einen fertigen Führerschein. Sue zog die Brauen hoch. Dupinsky hätte richtig dickes Geld verdienen können, wenn sie das als Hauptberuf gemacht hätte. Die Frau hatte Talent. Sue erkannte das Bild auf dem Schein. Es war Beverly, zwei Türen neben ihr. Außerdem entdeckte sie einen Reisepass mit vielen Stempeln darin, wieder mit Beverlys Bild darin. Führerscheine und Pässe. Gut zu wissen. Sue würde einen brauchen, wenn sie alles erledigt hatte und das Geld der Vaughns sicher irgendwo auf einem Auslandskonto deponiert war. Sie hatte keine Lust, in den guten alten Staaten zu bleiben und ständig über die Schulter blicken zu müssen. Sie würde nach Übersee gehen, und Paris klang ganz verlockend. Sie hatte vorgehabt, sich irgendwo neue Papiere zu kaufen, aber wenn Dupinskys Pässe so gut waren wie ihre Führerscheine …
Sie betrachtete Beverlys Fahrlizenz genauer. Ihre Gesichtsstruktur war ähnlich wie die von Sue. Ein bisschen Make-up, Kontaktlinsen und gefärbte Haare … es könnte klappen. Laut Ruby wollte Beverly in dieser Woche nach Kalifornien abreisen. Das
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