Der Rache Suesser Klang
von mir will.
»Wir verstehen uns nicht mehr besonders gut, seit Richard tot ist.«
»Er gibt Ihnen die Schuld.«
»Das könnte man so sagen.« Ethan nahm einen großen Schluck Bier. »Ja, allerdings.«
Sie rieb seine Faust mit ihrer Handfläche, bis er sich ein wenig entspannte. »Das ist … nicht nett.«
Ethan lachte rau. Er dachte an Stan, der seine Frau betrog, Stan, der ihm verbot, Alec zu besuchen, Stan, der McMillans Leiche im Meer versenken wollte. »Tja, das trifft es ganz gut. Nicht nett.«
Ihre Fingerspitzen strichen über seinen Handrücken. »Und war Richard auch ein Orioles-Fan?«
Ethan schaute auf und sah ihr Lächeln. »Ja, und ob. Er hat kein Spiel im Fernsehen ausgelassen. Wann immer er die Möglichkeit dazu hatte, kaufte er uns Tickets in der Fankurve.« Beide schwiegen eine Weile und blickten auf die Außenmauern des Wrigley, und er sah sich und Richard als Jungen, wie sie zu den billigen Plätzen im alten
Memorial Stadium
in Baltimore liefen und ihr Geld in Hotdogs anlegten. Dann lächelte er, als eine beinahe verschüttete Erinnerung in sein Bewusstsein stieg. »1985 erwischte Richard einmal einen Ball. Gott, war ich neidisch. Aber dann stand ich trotzdem mit ihm am Mannschaftseingang und wartete auf Eddie Murray, damit er ihn ihm signierte.«
Sie grinste. »Steady Eddie. Fünfundachtzig war sein bestes Jahr. Er hat – wie viel RBI s gemacht? Hundertfünfundzwanzig?«
Er zog die Brauen hoch. »Eins vierundzwanzig. Die meisten Mädchen, die ich kenne, haben keine Ahnung von Punkten.«
»Ich kannte die Statistiken besser als jeder Junge in meiner Klasse. Und, hat er es getan? Den Ball signiert, meine ich?«
»Ja. Er und vier andere Spieler.«
Sie grinste wieder. »Ihr Jungs müsst im siebten Himmel gewesen sein.«
»Das kann man wohl sagen, aber als wir nach Wight’s Landing zurückkehrten, hatte Richard plötzlich ein schlechtes Gewissen. Wir hatten mitten im Spiel die Plätze getauscht, weil da ein Mädel war, das er ansprechen wollte. Hätten wir das nicht getan, hätte ich den Ball vielleicht gefangen.«
»Und Sie waren an dem Mädchen nicht interessiert?«, fragte sie.
»Nee, damals nicht. Cal Ripken war auf dem Feld.«
»Oh, das verstehe ich natürlich«, sagte sie. »Das lässt jedes Mädchen verblassen.«
»Na ja, damals vielleicht. Aber Richard war ohnehin in diesem Bereich immer etwas schneller als ich. Als Erster eine Freundin, als Erster –« Er brach ab, aber ihr leises Lachen sagte ihm, dass sie es sich bereits gedacht hatte. »Als Erster
verheiratet,
wollte ich natürlich sagen.« Er schüttelte grinsend den Kopf. »Wie auch immer, auf dem Nachhauseweg stritten wir uns darüber, wer den Ball behalten durfte. Wir warfen eine Münze.«
»Und Sie haben gewonnen?«
Ethans Kehle verengte sich plötzlich, und er musste sich räuspern, bevor er antworten konnte. »Nein.« Er schluckte, entsetzt, dass die Erinnerung ihn so stark berührte. »Er. Und anschließend entschuldigte er sich jeden Tag vom Rest des Sommers, bis ich ihn am liebsten erwürgt hätte.«
Ihre Finger drückten seine Hand. »Und das Mädchen. Was war mit ihr?«
»Im Herbst danach kamen sie zusammen und heirateten acht Jahre später, nachdem wir den Abschluss an der Academy in der Tasche hatten.« Wieder verengte sich seine Kehle. »Ich war Trauzeuge.«
»Und der Ball? Existiert er noch?«
»Er liegt in einem Glaskasten im Bücherregal in meinem Schlafzimmer. Er hat ihn mir in seinem Testament vermacht.«
»Haben Sie ihm den Ball missgönnt, Ethan?«
In ihrer Stimme lag etwas, eine Autorität, der er sich nicht verweigern konnte. »Nein.«
»Aber Sie hatten die Plätze getauscht. Er saß auf Ihrem.«
Etwas in ihm rührte sich. »Richard war zur rechten Zeit am rechten Ort.«
»Umgekehrt hieße das, dass Sie zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sind. Wie an jenem Tag.«
An jenem Tag.
Genau so bezeichnete er die Sache auch immer in seiner Erinnerung. »Als ich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen bin.« Die Worte waren heraus, bevor er sie zurückhalten konnte.
»Im Ernst?« Sie hob die Brauen. »Sie wollten sterben?«
»Nein.« Nun wütend, schob er den Krug in die Tischmitte. »Ich wollte nicht sterben.«
»Glauben Sie, dass Richard Ihnen Ihr Leben missgönnen würde?«
»Es gibt einen verdammt großen Unterschied zwischen einem Ball und einem Leben.«
»Ja, richtig. Aber würde er?«
»Nein.« Er stieß bebend den Atem aus. »So ein Mensch war er nicht.«
»Ethan …
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