Der Rache Suesser Klang
bezahlen lassen. Nimm das verdammte Ding, Dana.«
»Das Essen war nur sechs Dollar fünfundneunzig. Ein Handy kostet eine Menge mehr.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich erlaube Caroline nicht, mir ein Telefon zu schenken, also warum sollte ich es dir erlauben?«
»Weil Caroline deine Tätowierung nicht sehen will«, gab er zurück, und sie lachte. »Los, nimm es schon. Nur so kann ich mit dir in Verbindung treten. Meine Nummern sind schon drin, Handy und Hotel. Ich weiß nicht, wann ich heute freimachen kann, aber ich will dich noch sehen. Zum Essen.« Er schob das Handy über den Tisch und beobachtete, wie sie es musterte. »Du brauchst es nicht kurzzuschließen, Dana. Du drückst bloß auf die hübschen kleinen Zahlen, hältst das obere Teil ans Ohr und sprichst unten rein. Dazu muss man keine Elektrikerin sein, versprochen.« Er stand auf und richtete seine Krawatte.
Sie schaute mit einem ironischen Gesichtsausdruck zu ihm auf. »Du hältst dich für verdammt witzig, was? Okay ich nehme das blöde Ding, aber wenn du zurück nach Washington gehst, dann nimmst du es wieder mit.«
Sein Herz blieb mit einem heftigen Ruck in seiner Kehle stecken. Wenn er nach Washington zurückging. Sie hatte es so gesagt, als würde es sie nicht kümmern. Ja, sie hatte Recht, er würde zurückkehren, sobald er Alec gefunden hatte. Und in Washington sein altes Leben weiterführen. Sein altes Leben, das ihm nun noch leerer erschien als zuvor. Er kämpfte die aufkommende Frustration nieder, beugte sich herab und küsste sie hart auf die Lippen. »Geh nach Hause und schlaf ein bisschen. Und ruf mich an, wenn du mich brauchst. Wir sehen uns heute Abend zum Essen.«
Chicago
Dienstag, 3. August, 6.45 Uhr
Sue hatte nicht viel Zeit. Dupinsky hatte vom Krankenhaus angerufen und gesagt, dass sie um halb acht zurück sein würde. Sue hatte nur weniger als eine Stunde, um sich einen neuen Ausweis zu besorgen und wieder zum Haus zurückzukehren. Aber es war noch früh, die Rushhour hatte noch nicht eingesetzt, so dass es einfacher sein würde, das passende Opfer zu finden. Insbesondere, wenn die betreffende Person gerade von der Arbeit kam und müde und unkonzentriert war. Sue beschleunigte ihr Tempo, als sie auch schon eine passable Kandidatin aus der Hochbahn kommen sah.
Sue holte sie ein. »Entschuldigen Sie.« Die Frau war jung, leicht übergewichtig und trug einen Kittel mit Winnie-Puuh-Design, der leicht mit Blut besprenkelt war. Wie passend.
Sie warf einen misstrauischen Blick über die Schulter und setzte dann ihren Marsch fort. Sue beeilte sich, ihr auf den Fersen zu bleiben. »Verzeihen Sie, aber ich bin nicht von hier. Könnten Sie mir wohl mit dieser Adresse hier helfen?«
»Tut mir leid«, murmelte die Frau, ohne anzuhalten. Gute Instinkte, dachte Sue. Aber leider nicht gut genug. Mit einem Schultercheck, der jeden Eishockey-Spieler stolz gemacht hätte, stieß sie die Frau in eine Seitengasse, zog gleichzeitig ihre Pistole aus dem Hosenbund und drückte ihr den Lauf an die Schläfe. Die Bewegungen waren flüssig und beinahe schön. Wie beim Ballett.
»Halt die Klappe«, murmelte Sue, als die Frau angstvoll die Augen aufriss.
»Nehmen Sie mein Geld«, flüsterte sie heiser. »Aber bitte tun Sie mir nichts.«
Sue verdrehte die Augen. Sie hörten niemals zu. Immer mussten sie etwas sagen. Und immer zu viel. Eine kleine Bewegung des Fingers am Abzug, die Kugel, die durch Knochen drang, und – Abrakadabra! – die Blutspritzer auf dem Kittel der Frau wirkten plötzlich frisch. Der Schalldämpfer war eine wirklich kluge Investition gewesen. Lautlos sackte die Frau zu Boden, und Sue holte ihre Börse aus der Handtasche.
Heute war sie Kristie Sikorski, Kinderkrankenschwester, dreifache Mutter.
Chicago
Dienstag, 3. August, 7.30 Uhr
Dana spürte noch immer das Prickeln auf ihren Lippen, als sie eine Stunde später auf den Parkplatz hinter Hanover House fuhr. Selbst die kurzen Küsse hatten ihre Sinne zum Taumeln gebracht. Aber noch erstaunlicher als die Küsse war sein Gesichtsausdruck gewesen, bevor er sie geküsst hatte. Sie hatte sich dazu gezwungen, seine Rückkehr nach Washington anzusprechen, einmal mehr anzuerkennen, dass er keine feste Größe in ihrem Leben sein würde. Die Sache mit dem Handy war eine so liebevolle Geste gewesen, etwas so Intimes! Sie hatte sich mit aller Gewalt in Erinnerung rufen müssen, dass das, was immer sie beide hatten, nur so lange dauern würde, wie sie in derselben Stadt waren. Sobald
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