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Der Rache Suesser Klang

Der Rache Suesser Klang

Titel: Der Rache Suesser Klang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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strich dem Jungen über das Haar und spürte den Schmutz an ihren Fingern. Nicht jede Frau, die ins Hanover House kam, war eine aufmerksame Mutter, aber was Jane Smith tat, hatte eindeutig schon mit Vernachlässigung zu tun. Und sie war eine der ungeselligsten Frauen, die je hier gewohnt hatten. Selten aß sie mit den anderen zusammen, sondern nahm ihre Mahlzeit zu Erik mit ins Zimmer hinauf. Evie dachte wieder daran, wie der Junge sich über das Hähnchen hergemacht hatte – als habe er seit Tagen nichts Vernünftiges mehr zu essen bekommen. Es war beinahe zwingend, dass sie sich Gedanken machte, ob das Kind wirklich genug bekam.
    Irgendjemand musste sich um den Jungen kümmern – unbedingt. »Und das kann ebenso gut ich tun«, murmelte sie. Sie würde Handtücher holen. Und dem Jungen hier auf dem Bett die Haare waschen, wenn es sein musste. Das hätte Jane nach der vergangenen Nacht, in der er sich übergeben hatte, längst tun müssen, verdammt.
    Die vergangene Nacht. Das machte ihr am meisten Sorgen. Sein Blick war so klar, so wach gewesen. Nicht wie vorher. Nicht wie jetzt. Sie hatte seine Akte gesehen, wusste, dass er von Dr. Lee neue Medikamente gegen seine Epilepsie brauchte. Aber ob Jane ihm die richtige Dosis verabreichte? Er war so entsetzlich dünn. Vielleicht gab sie ihm zu viel.
    Dass Jane es absichtlich tat, war ein Gedanke, den Evie nicht von sich schieben würde, aber es war auch einer, den man nicht ohne Grund laut äußerte. Die richtige Medikamentendosis war die eine Sache, die sie am Nachmittag mit Dr. Lee besprechen wollte. Eriks Hunger und die Abwehrreaktion seines Magens die andere.
    Sie hob seinen Kopf an, um die Handtücher unter ihn zu legen, aber als sie die Hand wegzog, waren ihre Finger rot und klebrig. Entsetzt fuhr sie zusammen. Aber dann sah sie, dass es sich nicht um Blut handelte. Es war
zuckrig
und klebrig. Langsam hob sie die Finger an die Nase.
    Nein, das war kein Blut. Es war Benadryl. Ihr fiel wieder ein, dass Jane sie am Sonntag nach der Flasche gefragt hatte, kurz bevor Evie zu Lillians Beerdigung hatte gehen wollen. Normalerweise gaben sie hier immer nur Einzeldosen aus, aber Evie war am Sonntag in Gedanken woanders gewesen. Und Jane hatte unbestreitbar die Flasche behalten. Sanft wusch sie Eriks Gesicht, Hals und Nacken, und er regte sich und schlug die Augen auf.
    »Bitte rede mit mir, Erik«, sagte sie leise. »Vor mir brauchst du keine Angst zu haben.«
    Aber Erik sah sie nur dumpf an, schloss die Augen und sackte wieder in sich zusammen.
    Mit einem Seufzer rief Evie Danas Pager an. Auch wenn sie es nur ungern zugab: Sie brauchte Hilfe.

Ocean City, Maryland
    Dienstag, 3. August, 10.00 Uhr (9.00 Uhr Central Standard Time)
    Als Lou Moore sich dem Empfang im Gefängnis von Ocean City näherte, sah sie gerade noch, wie Janson sich ins Buch eintrug. Der Mann rollte die Schultern, um sie nach der langen Fahrt zu lockern. »Detective Janson? Ich bin Sheriff Moore.«
    »Freut mich, Sie kennen zu lernen, Sheriff«, sagte Janson und schüttelte ihr die Hand. »Unser Räuber heißt Bryce Lewis. Laut Führerschein ist er siebzehn und aus Chicago. Außerdem haben wir heute früh Cheryl Rickmans Wagen gefunden. Jemand hat die Nummernschilder ausgewechselt, weswegen wir ihn zuerst übersehen haben. Das Auto stand zwei Blocks vom Busbahnhof entfernt.«
    »Der Mörder von Cheryl Rickman hat also vermutlich mit dem Bus die Stadt verlassen.«
    »Das würde ich auch meinen. Wir werden uns mit der Reisegesellschaft in Verbindung setzen, aber da wir keine Ahnung haben, wonach wir tatsächlich suchen, erwarte ich keine bahnbrechenden Ergebnisse.«
    Lou sah, dass ein Wachmann einen jungen Mann in Handschellen hereinführte. »Wird Lewis als gefährlich eingestuft?«
    Janson zuckte die Achseln. »Er hat dem Inhaber des Ladens eine Zweiundzwanziger vor die Nase gehalten, woraufhin der Mann wiederum sein Samstagnacht-Special hinter der Theke hervorgeholt hat. Der Bursche guckt wie ein Reh im Scheinwerferlicht, und der Inhaber nutzt seine Chance und zieht ihm einen Sack Münzen über den Schädel.«
    »Hat er schon gesagt, wieso er Rickmans Laptop-Kabel im Rucksack hatte?«
    »Nein. Er hat noch gar nichts gesagt, allerdings einmal telefoniert. Er behauptet, er habe einen Verwandten angerufen, aber es ist niemand gekommen, um ihn auf Kaution herauszuholen. Er ist am Freitag festgesetzt worden.«
    Sie gingen gemeinsam in den kleinen Besucherraum und setzten sich dem düster dreinblickenden

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