Der Rache Suesser Klang
sagte Clay gepresst.
Ethan lenkte den Wagen in den Verkehr. »Ich bin auf dem Weg zurück ins Hotel. Was ist es diesmal?«
»Sie will einen Vorschuss von fünfundzwanzig Riesen bis morgen Mittag. Auf ein Auslandskonto. Wir haben die Nummer.«
»Dann haben wir nicht mehr als das. Ich habe bisher nichts herausgefunden.«
»Teufel noch mal«, murmelte Clay. »Aber ich habe etwas über die Kugel, die wir aus der Wand gepult haben. Hier in der Umgebung gab es keine Übereinstimmungen, aber mein alter Kumpel beim FBI hat das Ding durch den Computer gejagt. Vor sechs Wochen wurde in Florida eine ältere Frau in ihrem Haus erschossen.«
Ethan rieb sich die Schläfe. »Das ergibt keinen Sinn.«
»Ich weiß«, gab Clay zurück. »Aber Waffen wechseln den Besitzer. Vielleicht gibt es keine Verbindung.«
Ethan seufzte. »Ich habe es so verdammt satt, keine Verbindungen zu sehen. Ich rufe dich an, wenn ich im Hotel bin.«
Chicago
Dienstag, 3. August, 14.35 Uhr
Dupinsky ist die Nächste,
war alles, was Sue denken konnte, als sie auf Hanover House zuging und den fremden Wagen davor sah, auf dessen Beifahrersitz ein Stapel Post mit der Adresse eines gewissen Dr. George Lee lag. Der Mann hätte erst um drei hier sein sollen, doch nun war er früher gekommen, und Sue hatte keinen Zweifel an dem Grund dafür.
Dupinsky. Diese neugierige kleine Schlampe. Rief den Arzt an, um sich den Jungen anzusehen, obwohl sie
ausdrücklich
gesagt hatte, dass sie das nicht wollte. Wenn das vorbei war, würde Dupinsky dafür zahlen. Caroline aus dem Weg zu schaffen hatte zum Geschäft gehört. Dupinsky beizubringen, dass man seine Nase nicht in fremde Angelegenheiten steckte, würde eine rein persönliche Sache werden. Sie hatte noch den Geruch von Freds Blut in der Nase, und einen Augenblick lang erlaubte sie sich, sich die gefesselte und geknebelte Dupinsky vorzustellen. Der Knebel würde die einzige Möglichkeit sein, dieser ewig redenden Frau das Maul zu stopfen. Aber im Moment hatte sie größere Probleme zu bewältigen. Der gute Onkel Doc konnte durchaus gerade feststellen, dass Erik gar keine Verletzungen hatte, dass er keinerlei Anzeichen von Misshandlungen aufwies. Er konnte alles Mögliche herausfinden, wenn sie ihn nicht daran hinderte.
Sie schlich nach hinten und trat durch die Küchentür ein, die zu verschließen alle außer Dupinsky vergaßen. Und da war auch schon der Arzt, der Erik untersuchte. Evie und Dupinsky waren nirgendwo zu sehen. Irgendwo oben brüllte ein Kind zum Gotterbarmen, und Sue nahm an, dass Evie ebenfalls im ersten Stock war. Dupinsky befand sich wahrscheinlich im Krankenhaus, um der armen Caroline Händchen zu halten.
Dr. George Lee war ein kleiner Mann. Höchstens eins siebzig groß, vielleicht fünfundsechzig Kilo schwer. Und dazu noch ziemlich alt, bestimmt an die siebzig Jahre. Sie konnte mit ihm fertig werden. Mit Leichtigkeit.
Mit gezogener Waffe räusperte Sue sich. Der Arzt schaute auf, und sie erkannte, dass er die Situation sofort richtig einschätzte. Vorsichtig zog er das Stethoskop aus seinen Ohren. »Sie müssen Jane sein.«
Sie lächelte. »Gehen wir, Doc«, sagte sie. »Holen Sie Ihre Tasche.«
»Ich könnte schreien.«
»Und dann bringe ich Sie und den Jungen um und verschwinde, bevor irgendwer hier unten angekommen ist.« Sie zeigte ihm die Pistole. »Hübscher Schalldämpfer, nicht wahr? Sehr effektiv. Und jetzt kommen Sie, bevor das Kind darunter leiden muss.«
Lee blickte auf den Jungen herab. »Sie vergiften ihn. Und lassen ihn langsam verhungern.«
»Ach, nur ein wenig.« Sie trat einen Schritt vor, packte den Arzt am Hemdkragen und hielt Erik die Pistole an die Schläfe. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass die Augen des Jungen vor Entsetzen glasig wurden. »Ich habe diese Woche bereits sechs Menschen getötet, Dr. Lee. Falls Sie nicht wollen, dass er Nummer sieben wird, sollten Sie sich jetzt bewegen.«
Mit zitternden Händen nahm der Arzt seine Tasche. »Ich gehe. Aber damit werden Sie …«
»Nicht durchkommen, ich weiß, ich weiß. Das sagen alle. Moment. Ich habe eine Idee, Doc. Nehmen Sie Ihren Notizblock.« Die Hände noch immer zittrig, gehorchte der Arzt. »Kluger Mann. Schreiben Sie, dass Sie einen Notruf bekommen haben und wegmüssen. Dass der Junge bloß unter posttraumatischem Stress leidet. Los, schreiben Sie.« Er begann zu kritzeln, die Handschrift kaum lesbar. »Haben Sie das Epilepsie-Medikament für den Jungen mitgebracht?«
Der Arzt holte tief Luft.
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