Der Raecher
geborgen und in Plastiksäcken verstaut wurden. Die beiden erwachsenen Männer kamen in getrennte Säcke, die Kinder gemeinsam in einen; die sechs kleinen Skelette konnten in der Leichenhalle der Stadt zusammengefügt werden.
Der Spürhund fuhr nach Vitez und übernachtete dort. Die britische Armee war seit langem fort, und so nahm er sich ein Zimmer in der Pension, in der er schon einmal abgestiegen war und die er kannte. Am Morgen kehrte er ins Büro der ICMP in Travnik zurück.
Von Sarajevo aus autorisierte Gordon Bacon den lokalen Bevollmächtigten, Ricky Colenos Überreste Major Gracey zu übergeben, damit er sie in die Hauptstadt überführen konnte.
Die Blutprobe aus Ontario war eingetroffen, und schon nach zwei Tagen lagen die Ergebnisse der DNA-Analysen vor. Der Leiter der ICMP in Sarajevo bestätigte, dass es sich bei dem Toten um Richard »Ricky« Colenso aus Georgetown, USA, handelte. Jetzt benötigte er nur noch eine schriftliche Vollmacht der nächsten Angehörigen, bevor er die sterblichen Überreste Philip Gracey aus Andover im britischen Hampshire anvertrauen konnte. Zwei Tage später traf sie ein.
In der Zwischenzeit hatte der Spürhund auf Anweisung aus Ontario im besten Bestattungsunternehmen von Sarajevo einen Sarg gekauft. Die Leichenbestatter beschwerten ihn mit Ballast und verteilten ihn so, dass man den Eindruck haben konnte, er enthalte nicht nur ein Skelett, sondern einen richtigen Leichnam.
Am 16. April landete die Grumman IV des kanadischen Bergbaumagnaten mit einer Übernahmevollmacht. Der Spürhund übergab dem Piloten den Sarg und die dicke Akte. Dann kehrte er ins grüne England zurück.
Steve Edmond wartete am Flughafen Washington Dulles, als
sein Firmenjet nach einem Tankstopp in Shannon am Abend des 16. landete. Ein geschmückter Leichenwagen brachte den Sarg in eine Leichenhalle, wo er zwei Tage blieb, bis die letzten Vorbereitungen für die Beerdigung getroffen waren.
Sie fand am 18. auf dem äußerst exklusiven Friedhof Oak Hill in der R Street in Northwest Georgetown statt und erfolgte im engsten Familienkreis nach römisch-katholischem Ritus. Annie Colenso, geborene Edmond, die Mutter des Jungen, weinte leise. Ihr Mann, Professor Colenso, hielt sie im Arm, tupfte sich die Augen und blickte von Zeit zu Zeit Hilfe suchend zu seinem Schwiegervater, als wisse er nicht, was er tun solle.
Der Einundachtzigjährige stand im schwarzen Anzug und wie eine Säule aus seinem Pentlandit-Erz auf der anderen Seite des Grabes und starrte hinab auf den Sarg seines Enkels. Den Bericht des Spürhunds hatte er Tochter und Schwiegersohn nicht gezeigt, geschweige denn die Aussage Milan Rajaks.
Sie wussten nur, dass sich nachträglich ein Zeuge gemeldet hatte, der den schwarzen Landcruiser in einem Tal gesehen zu haben glaubte, und man auf seinen Hinweis hin die beiden Leichen gefunden habe. Allerdings hatte er zugeben müssen, dass sie ermordet und verscharrt worden waren. Nur so ließ sich die Zeitspanne von sechs Jahren erklären.
Nach dem Ende der Zeremonie gingen die Trauergäste und ließen die Totengräber ihre Arbeit tun. Mrs. Colenso lief zu ihrem Vater, schlang die Arme um ihn und vergrub das Gesicht an seiner Brust. Er senkte den Blick und streichelte ihr sanft über den Kopf, so wie früher, wenn sie sich als kleines Mädchen vor etwas gefürchtet hatte.
»Daddy, wer immer meinem Baby das angetan hat, ich möchte, dass er gefasst wird. Er soll keinen schnellen und leichten Tod haben, sondern für den Rest seines Lebens jeden Morgen im Gefängnis aufwachen und wissen, dass er dort nie wieder herauskommt. Und er soll immer daran denken, dass alles so gekommen ist, weil er kaltblütig mein Kind ermordet hat.«
Der alte Mann hatte bereits einen Entschluss gefasst.
»Vielleicht«, knurrte er, »muss ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen. Und wenn nötig, werde ich es auch tun.«
Er ließ sie gehen, nickte dem Professor zu und schritt zu seinem Wagen. Während der Chauffeur zum Tor an der R Street hinauffuhr, nahm er sein Telefon aus der Halterung und wählte eine Nummer. Irgendwo auf dem Capitol Hill hob eine Sekretärin ab.
»Verbinden Sie mich mit Senator Peter Lucas«, sagte er.
Der altgediente Senator aus New Hampshire strahlte, als er hörte, wer ihn zu sprechen wünschte. Freundschaften, die mitten im Krieg geschlossen wurden, hielten eine Stunde oder ein Leben lang. Es war über fünfzig Jahre her, dass Steve Edmond und Peter Lucas an einem Frühlingsmorgen auf
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