Der raetselhafte Kunstraub
Oliver Nachtigall anrufen und ihn warnen sollte. Aber er ließ es dann sein.
Die Glorreichen Sieben hatten nämlich von Anfang an ausgemacht, daß Oliver Nachtigall und Corny Treutlein von der ganzen Geschichte nichts erfahren sollten. Es war ja damit zu rechnen gewesen, daß man zuerst bei ihnen nachfragen würde. Dann sollten sie völlig ahnungslos antworten können und nicht schwindeln müssen.
Und daß ein reines Gewissen tatsächlich eine feine Sache ist, wenn plötzlich die Polizei an die Tür klopft, das zeigte sich schon fünf Minuten später.
Als es klingelte, malte Oliver Nachtigall gerade mit Ölfarbe eine giftgrüne Rasenfläche auf die Leinwand. Er hatte in der einen Hand die Palette mit den Farben und in der anderen einen Pinsel. „Herein, wenn’s kein Schneider ist!“ rief er.
Und weil er zuerst nur Corny Treutlein entdeckte, meinte er: „Das ist aber wirklich die netteste Überraschung der Welt.“
Aber dann erschien Polizeimeister Kalender mit seiner Begleitung. Den Herren war auf den vier Treppen die Luft ein wenig knapp geworden.
„Oh, was verschafft mir die Ehre?“ fragte Oliver Nachtigall jetzt sehr höflich und machte eine kleine Verbeugung dabei. „Darf ich bitten einzutreten.“
„Das hier verschafft Ihnen die Ehre“, antwortete Herr Kalender undurchsichtig und holte ein Stück blaues Papier aus der Tasche. Er faltete es auseinander und hielt es so, daß man deutlich die zitronengelbe Fünf sehen konnte. „Dies ist doch die Nummer Ihrer Büste bei dem Wettbewerb?“
„Sie haben ins Schwarze getroffen“, gab Oliver Nachtigall zu und lächelte freundlich. „Ich gratuliere.“
Irgend jemand kicherte.
Polizeimeister Kalender fuhr herum, als sei ein Schuß abgefeuert worden.
„Es soll nicht noch einmal vorkommen“, entschuldigte sich Corny Treutlein. Aber ich erlebe Sie zum erstenmal im Dienst, und da sind Sie ein ganz anderer Mensch.“
Das konnte ein Kompliment sein, aber auch eine Beleidigung. Jedenfalls sagte Herr Kalender vorsichtshalber erst mal nur: „ Na ja“ und wandte sich dann wieder Oliver Nachtigall zu. „Würden Sie uns bitte sagen, wo diese blauen Plakate herkommen und wer die angeklebt hat?“
„Keine Ahnung. Wenn es Ihnen weiterhilft, kann ich das beschwören.“
„Wollen Sie damit sagen, Sie wissen gar nicht, daß die ganze Stadt seit heute nacht von diesen Dingern überschwemmt ist?“
„Ich war heute noch nicht vor dem Haus“, versicherte Oliver Nachtigall. Und dann fragte er neugierig: „ Ist das wirklich so? Überall diese blauen Plakate mit der gelben Fünf?“
„Es sieht so aus, als würden Sie sich darüber freuen“, bemerkte Herr Kalender vorwurfsvoll.
„Haben Sie sich nicht auch über die roten Plakate mit der Nummer 27 gefreut?“ erwiderte Oliver Nachtigall.
„Das durfte ich auch“, erklärte der Polizeimeister. „Weil diese Plakate nämlich genauso angebracht wurden, wie es die Vorschrift verlangt. Ordnung muß sein.“
„Und das hier ist nach Ihrer Meinung in Ordnung?“ wollte Oliver Nachtigall wissen. Er zeigte dem Polizeimeister jetzt die halbseitige Anzeige für die Büste 27 in den neuesten Bad Rittershuder Nachrichten.
„Das ist mir allerdings neu“, gab der Polizeimeister zu. Andererseits und soweit ich das im Augenblick übersehe, ist in dieser Anzeige keine strafbare Handlung zu erblicken.“
„Jedenfalls ist sie nicht im Sinne der Wettbewerbsbedingungen“, regte sich Oliver Nachtigall auf.
„Sie versuchen abzulenken“, stellte Herr Kalender fest. „Wo waren Sie gestern nacht ?“
„Bis gegen zweiundzwanzig Uhr waren wir im Kurpark beim Konzert“, antwortete Corny Treutlein. „Soll ich Ihnen aufzählen, wer uns alles gesehen hat?“
„Und danach?“
„Nach dem Konzert haben wir bei Rinaldi noch ein gemischtes Eis gegessen, und dann habe ich Fräulein Treutlein bei ihren Eltern abgeliefert“, erklärte Oliver Nachtigall.
„Und dann?“ forschte Polizeimeister Kalender weiter.
„Dann war ich so etwa bis Mitternacht noch auf dem Mond“, lächelte Oliver.
„Ich explodiere gleich“, warnte Herr Kalender. Er zog seine buschigen Augenbrauen in die Höhe.
„Ich war wirklich auf dem Mond, Herr Polizeimeister“, versicherte Oliver Nachtigall. Er zeigte auf ein Bild, das auf der zweiten Staffelei stand. „Eine Mondlandschaft, wie Sie vielleicht erkennen.“ Das Bild war noch nicht fertig, aber es zeigte bereits einzelne schneeweiße Krater und darüber einen zinnoberroten Himmel.
„Es wird
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