Der raetselhafte Kunstraub
hervorguckte, erklärte sie ihm noch: „Ich meine natürlich den orangefarbenen Filz für meinen neuen Hut. Morgen kommt doch das Fernsehen.“
„Das freut mich für dich“, knurrte der Polizeimeister.
„Danke“, hauchte Frau Kalender. „Und komm heute nicht zu spät zum Essen. Es gibt Dampfnudeln mit Backobst.“
Sie lächelte den beiden Revierbeamten ins Gesicht und winkte ihnen zu.
Der Besuch im „Haus der Stoffe“ brachte Polizeimeister Kalender leider auch nicht weiter. Auf seine Frage, wer die Plakate gebracht hatte, gingen die Ansichten ziemlich auseinander.
„Also ich glaube“, erinnerte sich das bebrillte Fräulein an der Kasse, „es war ein junger Mann mit einem schwarzen Bart und einer Nickelbrille. Einer von den Typen, wie man sie immer bei Demonstrationen in der Abendschau sieht.“
„Nein, es waren ganz bestimmt zwei“, sagte eine Verkäuferin mit dem Namen Buchholz aus. „Und einen Bart hatten sie nicht. Sie waren auch nicht mehr so ganz jung. Der eine war etwa dreißig, und der andere muß schon fünfzig gewesen sein. Sie hatten Uniformröcke an und Mützen auf wie Straßenbahner oder städtische Beamte.“
„Das halte ich für ausgeschlossen“, grollte Kalender.
„Wenn Sie es besser wissen, warum fragen Sie dann?“ bemerkte eine Verkäuferin mit langen Haaren.
„Sind die Plakate nicht überhaupt mit der Post gekommen?“ fragte ein junger Verkäufer. Er rollte gerade einen Ballen mit geblümtem Gardinenstoff über den Ladentisch.
„Danke, ich bin im Bilde“, verkündete Polizeimeister Kalender und beeilte sich, mit den zwei Beamten wieder zu seinem Streifenwagen zu kommen.
„Jawohl, es ist eine Verschwörung“, wiederholte er, und dann summte das Autotelefon. Er nahm den Hörer ab und meldete sich. Der Wagen rollte inzwischen durch die Herderstraße und in die Richtung zum Kurpark.
„Es ist wegen der Stadtreinigung“, berichtete Herr Nielsen aus der Revierwache. „Man hat keine Leute und kann frühestens am Nachmittag anfangen. Aber dann auch nur mit drei oder vier Mann.“
Aber das Zeug muß von den Wänden“, brüllte der Polizeichef.
„Tut mir leid“, versicherte Reviervorsteher Nielsen. Aber ich kann doch nicht unsere Polizeibeamten mit Wassereimern und Drahtbürsten losschicken. Da würden ja die Hühner lachen.“
„Sie hören wieder von mir“, knurrte Herr Kalender kurz und warf den Hörer auf den Apparat zurück.
„Ist irgendetwas?“ fragte nach einer Weile einer von den zwei Beamten besorgt. Herr Kalender hatte nämlich die Mütze abgenommen und die Augen geschlossen. „Fühlen Sie sich nicht ganz ...“
„Unsinn, ich denke nach, Sie Schlaumeier“, faucht der Polizeichef. Und als der Wagen jetzt am Kurpark beim Musikpavillon vorbeifuhr, sagte er plötzlich zum Fahrer: „Ins Prinz-Ludwig-Gymnasium!“
Es war kurz vor der großen Pause, als es bei der 8b an die Tür klopfte.
„Herein“, rief Studienrat Dr. Purzer. Er war genauso perplex wie die Klasse, als jetzt Polizeimeister Kalender unter der Tür stand. Er hatte seine Mütze in der Hand und bewegte sich so vorsichtig, als käme er zu einem Kranken, der gerade am Blinddarm operiert worden ist.
„Oberstudiendirektor Senftleben hat mir erlaubt, Sie zu stören“, entschuldigte er sich.
„Womit kann ich Ihnen dienen, lieber Herr Kalender?“ fragte Studienrat Dr. Purzer ein wenig zu freundlich.
„Ich komme zu Ihnen, weil Sie doch der Vorsitzende des Kunstvereins sind“, begann der Polizeimeister. Anschließend sprachen die Herren so leise miteinander, daß man in der Klasse nur noch gelegentlich einzelne Worte verstehen konnte.
Die Wandtafel war mit lauter unregelmäßigen Verben vollgeschrieben, und es roch nach Kreide, obgleich die Fenster offenstanden.
„Es geht um folgendes“, begann Studienrat Dr. Purzer nach einer Weile und stellte sich wieder vor die Klasse. „Heute nacht sind von unbekannter Hand in der ganzen Stadt blaue Plakate oder Zettel mit einer gelben Fünf angeklebt worden. Rücksichtslos an Zäune, Wände, Häuser und so weiter. Im Hinblick auf die vielen Touristen, die morgen zum Festumzug und zur Fernsehübertragung erwartet werden, wäre nun dringend zu wünschen, daß die Sauberkeit des Straßenbildes unserer Stadt so schnell wie möglich wiederhergestellt wird.“
„Das ist auch der Wunsch des Herrn Bürgermeisters“, unterbrach der Polizeimeister.
„Nun hat die Stadtreinigung, die eigentlich zuständig wäre, keine Leute frei“, fuhr Studienrat
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