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Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Titel: Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Poore
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Manchmal hatte sie einen Scheck in der Post – einen fetten Scheck –, zusammen mit einer Auflistung, wie viele Schallplatten und Kassetten verkauft worden waren. Aber das waren Zahlen, nichts als Zahlen.
    Außerdem war sie nicht mehr diese Person. Die gehetzte, rehäugige Zauberin auf den Covern dieser Aufnahmen war nicht mehr die Frau, die Memory heutzutage im Spiegel sah. Die Frau im Spiegel besaß Erinnerungen. Sie hatte graue Haare und Falten im Gesicht.
    Sie hatte außerdem einen Job in einer Bibliothek. Es war der Job mit seiner Routine, der sie von dem bodenlosen Abgrund fernhielt, sich weiterhin mit Heroin aus der Wirklichkeit wegzuschießen.
    ***
    Eines Tages bekam sie einen Anruf von einem Produzenten namens Dennis Hogg von Jupiter Productions.
    »Wir gehören sozusagen zur Universal«, sagte er. »Wie geht es Ihnen?«
    Er strahlte förmlich durch das Telefon hindurch.
    »Prima«, antwortete Memory.
    »Das ist gut«, sagte Dennis Hogg. »Das ist super. Hören Sie, um es gleich zu sagen, ich bin ein großer Fan Ihrer Musik – wer ist das nicht? Aber ersparen wir uns beide die Zeit und kommen zur Sache, was meinen Sie? Haben Sie einen Moment Zeit?«
    Sie hatte.
    »Wir haben an einem Pilot gearbeitet hier unten. Nicht viel – wir haben nicht mal eine eigene Soundstage. Na, egal. Jedenfalls, es gab einen Artikel über Sie in der Parade , und die gesamte Besetzung sagte Sachen wie: ›Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie hier in der Gegend gewohnt hat, gleich um die Ecke! Ich dachte immer, sie käme aus San Francisco!‹«
    »Ich bin umgezogen«, antwortete Memory. »San Francisco ist ganz schön teuer, wenn man nicht arbeitet.«
    »Wie dem auch sei«, fuhr Hogg fort, »wir alle meinten, es wäre verdammt cool, wenn Sie bei der Serie mitmachen könnten.«
    Er verstummte und wartete offensichtlich darauf, dass sie etwas erwiderte.
    »Und was ist das für eine Serie?«, wollte Memory wissen.
    »Wäre es möglich … ich meine, es wäre viel einfacher, Ihnen alles zu zeigen. Ich könnte morgen vorbeikommen und Sie abholen. Wir drehen in … mir fällt der Name nicht mehr ein. Irgendein Vorort.«
    Memory war sprachlos. Es klang nach einer sehr windigen Geschichte, aber diese Leute wollten sie! Liebten sie!
    »Und? Was sagen Sie?«, hakte Dennis Hogg nach.
    »Also gut, meinetwegen«, antwortete sie und blieb äußerlich völlig cool. »Warum nicht?«
    ***
    Memorys Hass auf Dennis Hogg verrauchte in dem Moment, als sie ihm die Tür öffnete. Es war, als würde man jemanden treffen, den man im Radio gehört und von dem man geglaubt hatte, dass er vielleicht ein Prediger war, nur um festzustellen, dass die Person Dreadlocks und einen Silberblick hatte.
    Das war Dennis Hogg, der Mann mit den Rastalocken und dem schielenden Auge. Ihr erster Gedanke war: Was bin ich froh, keine von diesen oberflächlichen West-Coast-Tussis zu sein. Ihr zweiter: Nie im Leben produziert ein Freak wie der hier eine Fernsehserie, die auch nur eine Spur von Erfolg haben kann.
    Unterwegs in einem Drive-Through holten sie sich Kaffee.
    »Ich war im Fernsehen«, sagte Memory. »Aber ich habe nie beim Fernsehen oder für das Fernsehen gearbeitet, verstehen Sie?«
    »Ich liebe das Fernsehen!«, sprudelte Hogg hervor. »Ich kriege gar nicht genug davon, ehrlich. Ich liebe es! Liebe es! Liebe es!«
    »Oh, wow«, sagte Memory.
    ***
    Sie filmten in einer Eisdiele, als Dennis Hogg zusammen mit Memory eintraf.
    Es war nicht die übliche Sorte von Eisdiele. Die Achtziger waren eine ebenso kitschige wie amüsante und unbedeutende Dekade voll neuer Aspekte bekannter und gewohnter Dinge gewesen. Die gute alte Eisdiele war jetzt ein modischer Laden, in dem es gefrorenen Joghurt gab. Joghurt war angeblich gesünder wegen der kleinen Bakterienkulturen darin. Die Leute trugen mächtige Frisuren.
    Als Memory den Laden betrat, schrien alle aufgeregt los – es waren ihre größten Fans. Sie saßen an den Tischen und aßen gefrorenen Joghurt und stellten Fragen. Zuerst fragten die Darsteller und die Crew Memory nach ihrem berühmten Selbst aus. Dann stellte Memory ihnen Fragen über sie und ihre Sendung.
    Es waren sechs Leute. Fast wie eine Band.
    Jenny war von der lauten, freundlichen Sorte und einigermaßen hübsch.
    Rob, ein großer, blasser, stiller Mann, war der männliche Star.
    Katie, ein kleines Ding mit langen schwarzen Haaren, hatte eine geradezu ansteckende Art, über alles und jeden zu staunen. Wenn man beispielsweise sagte: »Oh, mein gefrorener

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