Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
überquerte die Grenze und landete auf einer grasbewachsenen Piste mitten im Nichts.
Die Piste lag neben einem ausgedehnten, labyrinthartigen Haus, versteckt zwischen Obstplantagen, Hügeln und künstlichen Seen. In diesem erstaunlichen Haus fand eine Party statt, die bereits seit hundert Jahren andauerte.
Neue Gäste kamen und gingen, doch die Party selbst war quasi unsterblich. Es gab Bier und Wein, Mädchen und Opium. Außerdem LSD , Heroin und Kokain. Und eine große Dänische Dogge mit Namen Fidel, die ein goldenes Halsband trug und zwischen den Gästen der Party umherstreifte. Nach zwei Drinks redete sie vielleicht sogar mit dem einen oder anderen, oder auch nicht.
***
Scratch war betrunken. Er saß in einer dampfenden heißen Wanne inmitten eines künstlichen Indoor-Regenwalds und fühlte sich gut.
Sie hatten etwas erreicht, er und Fish. Hatten etwas geschaffen. Jede Wette, Gott hatte noch nie eine Versicherungsgesellschaft aus dem Boden gestampft!
Die Versicherung und das Geld waren erst der Anfang. Hoffte er jedenfalls.
Geld ruinierte manche Leute, doch Scratch hatte das Gefühl, dass Fish durch Geld gezügelt werden konnte. Er würde wachsen, ein wertvoller Mensch werden. Vielleicht wurde er sogar zu einem perfekten Menschen, jedenfalls in den Augen des Teufels. Jemand, der über Macht und Visionen verfügte. Der seine Kraft darauf verwandte, die Welt besser, schneller, stärker zu machen. Die Sorte Mensch, die der Teufel auf diesem Planeten brauchte und von der es noch längst nicht genug gab.
Aber vielleicht wurden solche Musterexemplare nicht geboren. Vielleicht mussten sie – ähnlich Fish, ähnlich einem hässlichen Entlein – erst in diese Rolle hineinwachsen. Geld würde ihr Lehrer sein, der Berg, an dem sie sich messen würden. Es ging nicht anders – Geld war der feurige Motor der menschlichen Zivilisation. Geld an sich war weder gut noch böse. Was für eine kindische Idee! Fish würde die feurige Maschine meistern. Das Böse, das er tat, würde notwendig sein und Früchte tragen.
»Wir sind auf dem richtigen Weg, Herrgott noch mal!«, sagte der Teufel. »Wir haben unser eigenes Haus, verdammt.«
»Wir?«, sagte Fish am anderen Ende der Badewanne, beinahe unsichtbar im heißen Dampf.
Ein Tukan flog zwischen ihnen hindurch.
»Du«, sagte Scratch. »Du weißt schon, was ich meine. Sei kein Arschloch.«
Er mochte Fish. Der Junge war der reinste Teufel. Er hatte einen Mann durch ein Fenster gezerrt und ihm mit einem Aschenbecher den Schädel eingeschlagen.
Aus dem gleichen Grund hatte er häufig eine Abneigung gegen Fish.
Fish war unverschämt. Er war stolz. Er war ehrgeizig. Es war das Böse in Reinkultur, sah man davon ab, dass Rebellion nur für den stolzen Rebellen selbst etwas Großartiges war. Wenn jemand anders sich gegen einen wandte, sah die Sache ganz anders aus.
Fish brauchte eine Lektion. Eine Erinnerung. Einen nagenden, beständigen Schmerz.
»Ich möchte dir etwas zeigen«, sagte Scratch. »Siehst du den Burschen da drüben am Pool? Den fetten Sack in den schwarzen Hosen, der viel zu laut redet und sich für einen wichtigen Macker hält?«
»Nein«, antwortete Fish wahrheitsgemäß. »Es dampft zu sehr.«
»Nun, er steht jedenfalls da, und er ist zu laut. Ich will dir etwas über ihn erzählen.«
Und er erzählte Fish, dass das fette Arschloch sich selbst mit dreizehn Jahren zum Präsidenten eines karibischen Inselstaates gemacht hatte, indem es dem Militär ein paar hübsche Dinge versprochen hatte, der CIA ein paar hübsche Dinge versprochen hatte, und anschließend dem Volk ein paar hübsche Dinge versprochen und auf diese Weise seine Unterstützung erlangt hatte. Doch er hielt sich nicht an seine Versprechen. Er war ganz und gar von sich selbst eingenommen, wurde unermesslich reich und verwandelte seine Insel in eine einzige gigantische Drogenfabrik. Aber damit kam er nicht sehr weit. Schon bald war er von enttäuschten, vollgekoksten Generälen und einer hungernden Bevölkerung umgeben.
»Klingt nach einem Holzkopf«, sagte Fish.
Der riesige Hund Fidel trottete vorbei, schnüffelte im künstlichen Regenwalderdreich und folgte dem Rand der Badewanne.
»Buenas noches, Fidel!« , rief der Teufel. Fidel trottete davon, ohne ihn einer Antwort zu würdigen.
Sekunden später duckte sich der karibische Präsident unter den künstlichen Bäumen hindurch und schob seine Masse in die heiße Wanne, in einer Hand eine überdimensionierte japanische Bierdose.
»Qué
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