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Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Titel: Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Poore
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ein begnadeter Redner. Die Leute, ob weiß oder schwarz, nannten ihn Preacher , Prediger.
    Weiße Männer waren grausam, weil sie keine richtigen Männer waren. Sie waren innerlich wie Kinder. Das hat der Fluch mit ihnen gemacht , dachte Nat.
    Er hatte eine höhere Meinung von schwarzen Männern, ob frei oder nicht. Schwarze Männer waren Männer, oder Jesus hätte ihnen nicht eine so schwere Bürde auferlegt. Und jetzt mussten sie einen Weg finden, frei zu sein, ohne dabei das Leben oder ihre Seelen zu verlieren.
    Wann immer Nat diese Dinge dachte, erhob sich in ihm ein Wind, und die Stimme von Jesus war in diesem Wind, und Nat wusste, dass er recht hatte.
    Und deswegen wusste er auch an jenem Tag, als er einem Geräusch in einer Seitengasse in Jerusalem, Virginia, folgte und sieben Sklaven und zwei freie Schwarze dabei vorfand, wie sie sich an Beulah Carter vergingen, dem zurückgebliebenen Hausmädchen der Carters, dass Gott von ihm wollte, dass er etwas sagte.
    Er stieß die Männer beiseite. »Wie wollt ihr jemals Menschen werden, wenn ihr euch wie die Tiere verhaltet, die ihr nach den Worten eurer Herren seid?«, predigte er ihnen. »Ein Mensch hat etwas Besonderes in sich, das ihn von den Schweinen unterscheidet!«
    Er fühlte sich beschwingt, als er dies sagte, leicht wie eine Feder, getragen vom Wind in seinem Innern und von Jesus.
    Die Männer hörten auf ihn. Beschämt wandten sie sich ab und gingen nach Hause.
    ***
    Nat war nicht nur belesen, ein guter Redner und hatte den Jesus-Wind in sich, er hatte auch Visionen. Nat empfand sich selbst als friedlichen Menschen, doch seine Visionen waren alles andere als friedlich. Sie waren zornig und blutig und ließen ihn sich winden, als würde ihm der Schädel bersten. Neuerdings waren auch noch furchtbare Träume hinzugekommen, aus denen er mit rotgeränderten Augen und zitternd erwachte.
    Der Teufel, der eine Nase für außergewöhnliche Menschen hatte, verwandelte sich hin und wieder in einen Vogel und beobachtete Nat aus den Bäumen. Er überlegte, dass Nat für ihn nützlich sein könnte, ganz ähnlich, wie es Washington gewesen war.
    An dem Tag, an dem Nat die Männer dazu brachte, die Vergewaltigung der jungen Beulah Carter abzubrechen, beschloss der Teufel, mit ihm zu reden.
    Als der Prediger auf dem Heimweg anhielt, um ein paar Maiskolben zu essen und zu beten, nahm der Teufel das Erscheinungsbild eines Engels an und hockte sich auf einen Baumstamm in der Nähe.
    Nat war anfangs zu sehr in sein Gebet versunken, um ihn zu bemerken.
    »Ich bin ein Mann des Friedens, Herr Jesus«, betete er. »Wie kann es sein, dass du mir diese Träume voller Trübsal schickst?«
    Während er auf eine Antwort lauschte – denn manchmal schien es ihm, als antwortete Gott tatsächlich – meldete sich der Teufel zu Wort und erweckte Nats Aufmerksamkeit.
    »Es mag sein, dass Frieden kein Teil von Gottes Plan für dich ist, Nat Turner.«
    Nat schien ein wenig überrascht, dass ihm ein Engel erschienen war und mit ihm sprach – aber wirklich nur ein wenig.
    »Aber der Friede ist das, was in meinem Herzen ist, Master Engel, Sir.«
    »Gott hat dein Herz erschaffen, Nat Turner. Kennst du dein Herz etwa besser als Gott?«
    »Nein, Master, Sir.«
    »Warum glaubst du, dass Gott dir diese großen, kraftvollen Hände gegeben hat?«
    »Ich weiß es nicht, Master Engel. Zum Arbeiten, nehme ich an.«
    »Nein. Um Weiße zu töten, darum.«
    Der Prediger kniff die Augen zusammen. Langsam setzte er seinen Hut auf, wandte dem Engel den Rücken zu und ging davon, die Straße hinunter und nach Hause.
    Der Engel angelte eine Pfeife aus der Tasche, stopfte sie mit Erdwürmern und paffte.
    ***
    Nat fand es ziemlich verdächtig, was der Engel gesagt hatte. Und nicht nur das – der Engel hatte ein Zeichen auf der Stirn gehabt, das ihn sehr bekümmerte.
    Alle Kreaturen Gottes trugen ein Zeichen auf der Stirn, und Nat konnte diese Zeichen lesen. Es gab Menschen, die als verwirrt oder schwach oder hart oder hungrig markiert waren. Er kannte ein Pferd mit einem Zeichen auf der Stirn, das besagte, dieses Pferd könnte dich treten, und tatsächlich, das Pferd trat nach einem Mann und brach ihm das Bein. Ein anderes Mal traf er Zwillingsmädchen, und beide hatten ein Zeichen, das aussah wie ein Herz, nur, dass das eine etwas stärker war als das andere, das immer schwächer wurde, ähnlich einem heilenden Bluterguss, und als es verschwunden war, starb sie.
    Der Engel trug ein Teufelszeichen auf der Stirn,

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