Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
klar wie der helle Tag.
Nachdem der Teufel seine Pfeife aufgeraucht hatte, überlegte er, sich unsichtbar zu machen und Nat nach Hause zu folgen, doch er war müde. Es war die Art von Müdigkeit, die sich einstellt, wenn man sich den ganzen Tag furchtbar über eine Sache geärgert hat.
Der Teufel war wütend über die Amerikaner und ihre Scheinheiligkeit. Sie waren so stolz auf ihre Freiheit und ihr Gerede über Freiheit, und doch besaßen viele von den großen Rednern Sklaven!
Amerika – die Erde! – hatte nicht den Hauch einer Chance mit dem nackten Bösen in seinem Herzen, und der Teufel glaubte, eine einfache Lösung zu kennen. Die Sklaven mussten sich ihre Freiheit nehmen, genauso, wie Amerika sich seine Freiheit genommen hatte. Genauso, wie er selbst, Luzifer, sie sich genommen hatte. Das war der Weg, wie man die Freiheit gewann.
Es war noch nie schwer gewesen, Männer zu finden, die bereit waren, in den Krieg zu ziehen, doch in diesem Fall war der Teufel auf Widerstand gestoßen. Ja, es gab Stimmen unter den Versklavten, die zur Revolte drängten, doch diese Stimmen wurden entweder von ihren Herren zum Schweigen gebracht oder von der Mehrheit ihrer Leidensgenossen ignoriert, die eine Revolte für Selbstmord hielten.
Der Teufel für seinen Teil wusste, dass man einen Gegner nicht vernichten musste, um ihn dazu zu bringen, sich zu ändern. Man musste ihn lediglich genügend zerstören, um ihm Angst einzuflößen. Wenn der richtige Anführer die weißen Amerikaner dazu bringen konnte, die Sklaven zu fürchten , würde eine neue Idee heraufziehen. Denn alles, was man tun musste, um Sklaven nicht mehr furchteinflößend erscheinen zu lassen, war, ihnen die Freiheit zu geben. Eine Rebellion konnte funktionieren, wenn der Gegner sich nicht zu sehr wehrte. Die meisten Amerikaner hatten ohnehin bereits eine Abneigung gegen die Sklaverei. Die Nation brauchte nur einen Anstoß, weiter nichts.
Der Teufel dachte, dass Nat Turner der richtige Mann war für den erforderlichen Schubs. Sie würden auf ihn hören, Weiße und Schwarze ohne Unterschied, weil er immer nur den Frieden gepredigt hatte.
***
Am nächsten Tag, als Nat im Gartenschuppen eine eiserne Schere reparierte, dachte er über seine schrecklichen Träume nach und über den friedlichen Wind in seinem Innern. Er war verwirrt und wandte sich an Gott um Hilfe.
Er schloss die Augen, bis er den Jesus-Wind in sich spürte, dann sagte er: »Herr, wenn du möchtest, dass ich das Werkzeug deiner Rache bin, dann gib mir ein Zeichen. In deinem eigenen Interesse, Herr, ich flehe dich an, gib mir ein Zeichen.«
Doch der Teufel lauschte von seinem Platz hinter dem überzuckerten Schuppen, und er wollte verdammt sein, wenn sich die Sonne nicht in genau diesem Augenblick limonengrün verfärbte!
***
An Sonntagen kamen Sklaven und freie Leute aus der gesamten Umgebung in den Wald in der Nähe der Farm, wo Nat lebte, um seiner Predigt zu lauschen und mit ihm das Abendmahl zu teilen.
Nat las ihnen aus der Bibel vor und sagte weise, friedvolle Dinge. Beispielsweise, dass sie niemals hassen durften, ganz gleich, wie sehr Gott der Herr sie prüfte. Weil der Hass den Menschen zerstörte. Hass und Zerstörung waren eine untrennbare Einheit.
Er lehrte sie auch gewöhnliche Weisheiten. Beispielsweise sagte er den Männern, dass sie ihren Lümmel in ein Rhabarberblatt wickeln sollten, wenn sie für eine Frau entflammten, bis sie ganz sicher waren, dass es Liebe war und nicht nur ein animalischer Trieb.
Er sagte den Frauen, dass sie ihr Haar hochgebunden tragen und sich bescheiden kleiden sollten, um die kindlichen weißen Herren nicht in Versuchung zu führen.
Und er sagte den Kindern unter ihnen, dass sie auf ihre Herzen achten sollten, damit der Hass keine Wurzeln schlagen konnte.
Am Sonntag, nachdem sich die Sonne grün gefärbt hatte, predigte er all die Dinge, die er immer predigte, und lehrte all die Weisheiten, die er immer lehrte. Doch als der Moment kam, über den Frieden zu sprechen, pressten sich seine Lippen aufeinander, und die Worte wollten nicht hervor. Zum ersten Mal ging er geradewegs nach Hause und blieb nicht zum Essen.
***
Es gab weitere Zeichen, eines nach dem anderen, bis eines Tages mitten im Wald ein Vogel zu ihm rief: »Töte alle Weißen!« und Nat es nicht länger aushielt.
Er packte eine Serviette mit Käse und Brot und getrocknetem Fleisch und schlich sich davon, immer in Richtung Polarstern.
Doch so einfach war es nicht.
In der ersten
Weitere Kostenlose Bücher