Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
ein Hund.
»Sie haben mich angebellt«, stellte der Marshal fest.
Wie zuvor der sprechende Hund hatte Memory wenig zu sagen.
Der Marshal fuhr mit ihr in die Stadt zum Polizeigewahrsam.
***
Der Gewahrsam war alles, was die Party nicht gewesen war. Es waren die angenehmsten zwanzig Stunden, die Memory seit langer Zeit verbracht hatte.
Die Frauen erkannten sie, und das war ein Unterschied. Sie behandelten Memory mit Respekt – der gleichen Sorte Respekt, die sie den rauen Kampflesben entgegenbrachten, die das Gefängnis führten. Später konnten sie jedem erzählen, sie hätten zusammen mit Memory Jones im Gefängnis gesessen. Zum Essen gab es extra einen Obstboden. Sie brachten ihr ein Besteck und einen Löffel und ein Feuerzeug und machten sie high. Das Zeug, das sie ihr gaben, war so unglaublich schlecht, dass ihr Mund nach rostigem Kupfer schmeckte und sie einschlief. Doch es war gut, mit Respekt behandelt zu werden. Endlich einmal wieder. Sie schlief tief und fest und ohne zu träumen.
***
Am nächsten Tag wurde sie vom Teufel ausgelöst.
Er sah selbst nicht besonders gut aus. Bleich, mit roten wunden Stellen hier und da. Er machte den Eindruck, als könnte er jeden Moment losheulen.
»Wo hast du dich denn versteckt?«, fragte Memory.
Der Teufel antwortete mit einem traurigen Lächeln und schwieg.
Memory durfte duschen und ein Wildblumen-Sommerkleid anziehen, das der Teufel mitgebracht hatte. Zum Kleid gehörte ein Sonnenhut.
Der Teufel, leicht müffelnd in einem T-Shirt und einer Schirmmütze, schob sie in die Kennedy-Limousine.
»Das Gericht wird dich in den Entzug schicken«, sagte er. »Darf ich dir einen Rat geben?«
»Was denn?«
»Hör auf, bevor du hingehst. Es wird zehnmal schlimmer, wenn du den Entzug nach ihren Vorstellungen mitmachst.«
»Woher weißt du das?«
Der Teufel wand sich und schaute aus dem Fenster. »Ich bin fünfzehn Milliarden Jahre alt«, sagte er dann. »Ich weiß so einiges.«
Memory kniff die Augen zusammen und starrte ihn an.
Der Teufel blickte auf die Straße.
Sie verließen San Diego, passierten Berge voller geborstener Felsen und bogen nach rechts ab, nach Arizona.
»Ich mach es, wenn du möchtest«, sagte der Teufel.
»Also schön.« Memory nickte. Der Plastikhut hatte ein riesiges Gänseblümchen an der Krempe. Das Gänseblümchen hüpfte auf und ab, wann immer Memory den Kopf bewegte.
Meile um Meile fuhren sie schweigend.
Bevor Memory die Hoffnung aufgab, dass der Teufel irgendetwas sagte oder ihre Hand nahm oder sie auch nur anschaute, hatten sie fünfzig Meilen hinter sich.
Wie das eben so war in Arizona.
***
Das Etablissement, das der Teufel für Memorys Entzug ausgewählt hatte, war ein staubiges Hotel mit einem auf der Hinterhand stehenden Fiberglaspferd über dem Bürogebäude. Auf der anderen Seite des Highways gab es einen Supermarkt und ein Tacorestaurant mit einem riesigen Sombrero auf dem Dach.
Wenn man sich irgendwohin verkriecht und versucht, das Heroin aus dem Körper zu bekommen, braucht man unbedingt Orangensaft, erklärte der Teufel.
Während das Heroin aus dem Kreislauf verschwindet, entstehen alle möglichen hungrigen Löcher im Körper. Der Orangensaft sollte helfen, einige dieser Hungerlöcher mit Vitaminen und anderen guten Dingen zu füllen.
Die ersten fünf Stunden saßen sie nebeneinander auf dem Doppelbett und sahen fern. Gerade, als Memory dachte, das ist ja alles halb so wild , fing es an.
Zittern und Schweißausbrüche. Sie schaffte es nicht mal bis ins Badezimmer, um den Orangensaft zu erbrechen. Der Teufel wischte hinter ihr auf. Er wirkte selbst ein wenig zittrig.
»W-warum m-machst du d-das?«, fragte sie und erschauerte.
»Mache ich was?«
»M-mir helfen.«
»Vielleicht ist es umgekehrt. Vielleicht hilfst du mir. Ist dir der Gedanke schon mal gekommen?«
Sie überlegte. Kämpfte gegen ein weiteres Würgen an.
»Wozu solltest du m-meine Hilfe brauchen?«, fragte sie.
»Brauchen ist vielleicht ein wenig zu stark«, antwortete er, wobei er die Arme um den Körper schlang und zitternd hin und her schaukelte.
Memory kroch zu ihm und legte die Hände auf seine Knie, um nicht umzukippen. Sie bedachte ihn mit einem langen, fahrigen Blick, und er hatte keine andere Wahl, als diesen Blick zu erwidern. Es gab sonst nichts, das er hätte anschauen können.
»Warum ich?«, fragte sie.
Der Teufel schien nach Worten zu suchen. Wie eigenartig es war, ihn so zu sehen. Memory wandte sich ab und lehnte sich gegen seine
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