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Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)

Titel: Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Poore
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zum anderen drehte sich alles nur noch um Mexiko.
    Die Studiotypen wussten von einer Party in Mexiko, die seit 1870 lief. Ständig kamen neue Leute, und alte gingen. Ständig gab es Bier und Wein und massives Gold und alles, was man sich wünschen konnte. Mädchen und Jungen jeglicher Neigung. Und ein sprechender Hund namens Fidel.
    »Wenn du wieder jemand sein willst«, sagten die Produzenten zu Memory, »musst du dich dort sehen lassen.«
    Ihr könnt mich mal , dachte Memory, sagte jedoch: »Schön, prima.«
    Die Produzenten, Memory und ein Gefolge aus Tänzerinnen und Tänzern stiegen in einen Firmenjet und flogen nach Süden über die Baja California, um irgendwann um Mitternacht mitten in der ewigen Party zu landen.
    Memory trug eine Sonnenbrille und einen breitkrempigen Hut, die gleiche Verkleidung wie zu ihren Purple-Airplane-Tagen. Eine Zeit lang pulsierte die Party um sie her wie in den besten alten Zeiten. Es war gut, weil ihre Verkleidung funktionierte und sie nicht gemobbt oder bedrängt wurde.
    Bis ihr irgendwann klar wurde, dass sie entweder niemand kannte oder niemand sich einen Dreck darum scherte, wer sie war.
    Sie kramte ihr Besteck hervor und setzte sich einen Schuss.
    In den alten Tagen hatte so ein Schuss die Party noch intensiver werden lassen. Heutzutage benutzte sie den Stoff wie andere Leute Kaffee: um wach zu werden, um den Tag irgendwie zu überstehen.
    Sie schlenderte über die vielen Flure und begegnete Fidel, dem sprechenden Hund.
    Er starrte zu ihr hinauf. Seine Augen waren so tief und schwarz wie das Meer.
    »Warum sehen Hunde eigentlich immer so aus, als hätten sie uralte Seelen?«, ächzte sie.
    Fidel blinzelte nur. Er sagte nichts.
    Memory setzte sich neben ihn auf den fadenscheinigsten Teppich, den sie jemals gesehen hatte. Der Hund legte sich neben sie. Als er seinen massiven Schädel auf ihren Schoß legte, hätte sie beinahe losgeheult. Sie streichelte seinen Kopf.
    »Ich bin nicht mehr berühmt, weißt du«, sagte sie zu ihm. »Ich meine, ich war ziemlich berühmt, aber heute ist nicht mehr viel davon übrig.«
    Fidel stieß einen schwermütigen Seufzer aus. Memorys Kleid wölbte sich auf wie ein Ballon.
    »Ich nehme an, das ist immer so. Wahrscheinlich ist es ganz okay, wenn die Leute nicht mehr nach dir schreien und alles mehr oder weniger im Sand verläuft. Aber weißt du was?«
    »Was?«, fragte Fidel in lieblichem, glattem Bariton, aber Memory war high, achtete nicht darauf und bemerkte nichts.
    »Es ist eben nicht okay. Sie schreien und tanzen und verfolgen dich, weil sie dich brauchen. Weil du etwas hast, das sie wollen, verstehst du? Und irgendwie schaffen sie es, dass du sie ebenfalls brauchst. Und wenn sie das geschafft haben, steigen sie aus und lassen dich im Stich. Das ist gemein. Eine verdammte Schweinerei ist das. Wenn ein Einzelner etwas so Gemeines tun würde, würden die anderen ihn spüren lassen, wie uncool er ist. Aber wenn eine Million Leute dir den Rücken zuwenden, sind sie anonym, und es ist angeblich okay. Ich dachte immer, wenn Bazillionen Leute mir beim Singen zuhören, wäre das ein Ersatz dafür, dass ich mich an den größten Teil meines Lebens nicht erinnern kann.«
    Tatsache war, es hatte ihr tatsächlich als Ersatz gereicht. Solange der Erfolg angehalten hatte. Doch nichts hielt ewig. Was eigentlich kein Problem war. Nur schien der menschliche Verstand so gepolt zu sein, dass er stets gerade die Dinge besonders vermisste, die er nicht mehr hatte. So sehr, dass die Erinnerungen daran wehtaten.
    Memory fragte sich, was der Hund von ihr denken mochte. Wahrscheinlich dachte er: Du grüne Neune, noch so eine abgewrackte, verzogene Göre mit einem Haufen Geld auf der Bank, die vor lauter Heroin im Blut den Moralischen kriegt und rumheult. Die würde ein echtes Problem wahrscheinlich nicht mal dann erkennen, wenn es ihr ein Bein abbisse.
    Wenigstens war der Hund ein guter Zuhörer.
    Fidel erhob sich auf alle viere, gab Memory einen Schlabberkuss und trottete davon.
    Für einen Moment wurde Memorys Kopf klar, und sie runzelte die Stirn. »Hey, warte!«, rief sie Fidel hinterher. »Was hast du da eben gesagt?«
    ***
    Auf dem Rückweg durch den Zoll am San Diego Airport entdeckte der Drogenhund ihren Vorrat und das Equipment, und sie wurde verhaftet.
    So behutsam es ging, wurde sie zwischen Reihen blitzender Kameras hindurch abgeführt und in einen wartenden Streifenwagen der US Marshals verfrachtet.
    Sie war ein wenig high und bellte den Marshal an wie

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