Der raffinierte Mr. Scratch: Roman (German Edition)
Schüssen umständlich nachgeladen werden. Also packte er die Waffe am Lauf und benutzte sie als Kriegskeule, während er sich durch ein wogendes, heulendes Chaos in Richtung des weißen Wagens kämpfte, der hinter all dem Rauch und dem Schlachtengetümmel immer wieder außer Sicht verschwand. Er glaubte schon, er könne es tatsächlich schaffen, als ihm jemand ein Bajonett ins Bein rammte.
Es tat weh, doch er war eher wütend als erschrocken. Er blickte an sich hinunter, sah das Bajonett in seinem Fleisch aufblitzen und wieder verschwinden ( das tat weh!), als es zurückgezogen wurde.
Rasend vor Schmerz und Zorn wirbelte der Teufel auf dem Absatz herum und hätte im blutgetränkten glitschigen Gras beinahe das Gleichgewicht verloren. Doch er fing sich wieder und sah seinen Angreifer vor sich. Ein Schlag mit der Muskete brachte den Unionssoldaten zu Fall. Ein Schlag mit dem Kolben hätte seinen Schädel platzen lassen müssen wie eine Melone. Aber nein. Zwei Schläge. Eine gebrochene Nase, mehr nicht.
Ein dritter Schlag, ein dämonischer Aufschrei. Das Gesicht des Soldaten ertrank in Blut.
Weiter in Richtung Wagen. Humpelnd. Blutend.
Die Schlacht blieb größtenteils hinter ihm zurück.
Noch ein feindlicher Soldat. Der Teufel hob einen Stein vom Boden auf – einen Stein von der Größe eines Babys – und zerschmetterte dem Yankee damit die Schulter.
Er war noch drei Meter vom Wagen entfernt, als eine Kanonenkugel der Rebellen – man hört die Kugel, die einen erwischt – herangepfiffen kam und ihn zerfetzte wie ein Hundespielzeug.
Er flog durch die Luft und landete auf der anderen Seite des Wagens.
Der Teufel roch sein eigenes kochendes Fleisch. Spürte die gebrochenen Knochen und die in Fetzen herabhängenden Muskeln.
Er krächzte wie ein Rabe, dann umfing ihn Dunkelheit.
***
Er kam erst wieder zu sich, als General Lees Welle längst zurückgeschlagen worden war.
Ein Unionssoldat kniete über ihm. Die Sonnenstrahlen rahmten ihn ein, und er schien zu leuchten.
»Versuch, still zu liegen«, sagte der Soldat mit freundlicher Stimme.
Der Teufel räusperte sich. Seine Kehle schien das Einzige zu sein, das er noch hatte.
»Hör zu«, sagte er und hustete einen Eimer Blut.
»Nicht reden.«
»Hör zu!« Der Teufel tat sein Bestes, die Flasche in dem weißen Wagen zu beschreiben, der von der gleichen Explosion getroffen worden war, die ihn selbst zerfetzt hatte, und der nun zerschmettert auf der Seite lag.
»Dieser Wagen?« , fragte der Soldat und deutete auf das Wrack.
»Ja.«
Der Soldat blickte den Teufel verwundert an, und der Teufel fand sich einmal mehr in einer seltsamen Lage wieder. Er hatte noch nie um irgendetwas gebettelt, nicht einmal bei Gott, nicht in all den Jahrmilliarden aus Zeit und Geschichte. Und plötzlich musste er betteln.
Wieder verlor er das Bewusstsein.
Dann spürte er, wie sein Kopf angehoben wurde. Nach hinten geneigt. Und er spürte, wie etwas Warmes, Schweres seine Kehle hinunterglitt.
Es schmeckte wie Pisse, und er hätte es beinahe ausgespuckt. Stattdessen lag er geduldig und still da, während der Inhalt der Flasche in seinen Magen lief.
***
Sein Körper füllte sich wie einer jener großen Beobachtungsballons, die heiße Luft verschluckten.
Er spürte, wie er zu Kräften kam. Stärker und härter wurde wie eine Erektion. Wie sein Inneres sich füllte mit diesem Etwas, das ihn größer und kräftiger machte als der Mann, der er äußerlich zu sein schien. Diesem goldenen, ewigen Etwas.
Doch es ging langsam. Zu langsam.
Er versuchte aufzustehen.
»Tu das nicht«, sagte der freundliche Soldat.
Dem Teufel wurde schwindlig, und er fiel ins Gras.
Nach einiger Zeit rief der Soldat Sanitäter mit einer Trage herbei. Sie sammelten ihn auf und trugen ihn in ein Hospitalzelt.
Ein paar Tage später wanderte er über die Hügel der Umgebung, bis er Daughterry fand, der über einem kleinen Feuer Würstchen grillte. Hinter ihm stand der weiße Wagen, mehr oder weniger repariert. Millie hatte sich erholt und stand angeschirrt vor der Deichsel. Offensichtlich verrichtete sie doppelte Arbeit im Gedenken an den armen toten Fern.
Der Teufel hielt sich ein Halstuch vors Gesicht. Gettysburg nach der Schlacht war ein einziges großes, offenes, stinkendes Grab. Als Daughterry sich halb umwandte und den Teufel erblickte, hatte er ein rotes Tuch vor Mund und Nase gebunden, das so groß war wie eine Tischdecke.
Die Toten bedeckten den Boden, lagen kreuz und quer über Felsen und
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