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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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dieses Idiom war seit knapp zweitausend Jahren tot – wie sollte er das denn heute lesen? Wie liest man eine Sprache, die nicht mehr existiert? Selbst wenn man sie buchstabieren könnte, wer würde verstehen, was es bedeutet? Und was wäre gewonnen, wenn man wüßte, daß diese Zeichen diesen oder jenen Laut ausdrücken? Damit könnte man sie immer noch nicht verstehen. Und wer weiß, ob die Ägypter überhaupt Buchstaben verwendet haben? Bei den Hieroglyphen doch wohl sicher nicht, dafür waren es viel zu viele. Aber die Eigennamen mußten sie irgendwie geschrieben haben; es war nicht anzunehmen, daß sie Namen mit Symbolen ausdrückten. Im griechischen Text stand eine Reihe von Namen, mehrfach der des Ptolemaios, aber auch andere: Aetes, Arsinoë, Alexandros, Pyrrha, Berenike oder Diogenes. Auch zahlreiche Götternamen kamen vor, etwa der desPtah, aber für ihre Götter mochten sie Symbole gesetzt haben. Überhaupt waren zumindest die Hieroglyphen sicherlich eine Symbolschrift.
    Sacy kaute unwillig auf einem Stück Weißbrot, das er mit Honig bestrichen hatte, und hörte auf das Ticken der Kaminuhr. Von der Straße drang das Rumpeln der Fuhrwerke. Die Uhr schlug neun. Sacy machte sich an die Arbeit. Er hatte sich für diesen Tag sämtlicher Termine entledigt, um sich noch einmal konzentriert der Kursive zu widmen. Für die Beschäftigung mit diesem Textteil sprach, daß er nahezu komplett erhalten war. Er enthielt also die Namen, die im griechischen Text allesamt ziemlich weit am Anfang standen und die im beschädigten hieroglyphischen Teil, der des Ptolemaios ausgenommen, gewiß fehlten. Der Weg zur Entzifferung, wenn es überhaupt einen gab, mußte über die Namen führen, denn Namen blieben auch in anderen Sprachen Namen, es sei denn, diese Ägypter hätten Symbolzeichen dafür geschrieben.
    Es war später Nachmittag, als er, nach Stunden eifrigen Messens, Zählens und Vergleichens, im demotischen Text jene Stellen aufgespürt zu haben glaubte, die dem Namen Ptolemaios entsprechen mochten.
    Es klopfte, und das Mädchen meldete: »Monsieur Fourier!«
    Der Orientalist sah auf. Im Grunde war er ganz froh über diesen Besuch, der ihn seiner mühseligen Beschäftigung enthob, und da diese abwechslungshalber einmal von einem ersten Erfolg gekrönt zu sein schien, hatte sich auch seine Stimmung etwas gebessert.
    »Ich lasse bitten«, sagte er und ging dem Gast entgegen.
    Jean Baptiste Fourier wirkte sehr erregt. Fourier war ein stämmiger Mann Mitte Dreißig, fliehende Stirn, braunes Haar, energischer Blick, Mathematiker und Physiker; er hatte Napoleons Ägyptenfeldzug bis zum bitteren Ende mitgemacht und galt als das Herz der wissenschaftlichen Kommission. Zuletzt war er ihr Sekretär am Institut in Kairo gewesen, wo er die Kapitulation und die Herausgabe der gesammelten Kunstschätze an die Engländer miterleben mußte. Im September 1801 nach Paris zurückgekehrt, hatte ihn Napoleonzum Mitherausgeber der »Description de l’Egypte« gekürt und ihn zugleich ersucht, er möge die Einleitung zu diesem Jahrhundertwerk verfassen.
    »Mein lieber Fourier, was führt Sie zu mir?« fragte Sacy und streckte dem Gast die Hände entgegen.
    »Bonaparte«, stammelte dieser heftig atmend und drückte dem Hausherren die Hand.
    »Aber was haben Sie denn, Sie sind ja ganz aufgelöst!«
    »Napoleon hat mich zum Präfekten des Isère-Departements ernannt! Ich soll umgehend abreisen. Ich muß nach Grenoble«, stieß Fourier hervor.
    »Ja – meinen Glückwunsch!« sagte der Orientalist und bot seinem Gast einen Sessel an. »So nehmen Sie doch Platz. Kaffee?«
    Der Mathematiker winkte ab und blieb stehen. »Glückwunsch? Er schickt mich aus Paris in die Provinz! Warum tut er das? Ich bin das Opfer einer Intrige!«
    »Nein, das kann ich nicht glauben«, versetzte Sacy und nötigte den erregten Besucher neuerlich, Platz zu nehmen. »Warum denn Intrige? Es ist doch eine Auszeichnung!«
    »Ich bin Wissenschaftler. Ich arbeite an meiner Theorie der Wärmelehre, ich soll die ›Description‹ herausgeben, ich soll die Einleitung schreiben, und er schließt mich vom geistigen Leben aus, indem er mich in die Alpen schickt.«
    »Sie sehen zu schwarz, mein Bester. Wir leben in politisch bewegten Zeiten, und der Erste Konsul schickt einen Mann seines Vertrauens in die Dauphiné. Ich kann daran nichts Schreckliches finden.«
    »Ich habe Gerüchte gehört, denen zufolge ich ein Anti-Bonapartist sein soll.«
    »Ach was. Der Konsul schert sich nicht

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