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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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nicht, bei welcher Gelegenheit, aber für die, so hoffte er, würde sein Bruder schon sorgen, denn schließlich war Jacques-Joseph inzwischen Mitglied der Delphinatischen Akademie, und Fourier war nicht nur Präfekt, sondern auch und vor allem Wissenschaftler – also mußte er einfach irgendwann bei der Grenobler Gesellschaft für Wissenschaften und Künste auftauchen. Und dann würde er, Jean-François, der noch nie die Gelegenheit hatte, mit einem bedeutenden Gelehrten sprechen zu dürfen, dem Departementsherren vorgestellt werden.
    Die Brüder kämpften sich durch die Menge, der Ältere vorneweg, und sie gelangten in die Nähe des Rathauses, wo sie ein paar Fetzen der Empfangsworte aufschnappten. Ganz Europa spreche von den Erfolgen der französischen Kommission in Ägypten, erklärte Bürgermeister Renauldon mit Emphase; Frankreichs Wissenschaftler hätten dort eine Kultur wiederentdeckt, die bereits der Antike als Urbild aller Kulturen gegolten habe, und er, der Bürger Fourier, den derErste Konsul nun dankenswerterweise an die Spitze des schönen Isère-Departements befohlen habe, er sei die Seele der Expertenkommission gewesen und habe sich durch die Weisheit und Milde seiner Verwaltungstätigkeit in Kairo sowohl den Dank Bonapartes als auch der Einheimischen erworben. »Grenoble und die Delphinatische Akademie, als deren Präsident ich ebenfalls die Ehre habe, Sie willkommen zu heißen, erfüllt es mit Stolz, einen Mann, der die Verbindung von Wissenschaft und Politik in so hohem Maße verkörpert –«
    In diesem Moment ging ein heftiger Ruck durch die Menschentraube, in deren Mitte sich die Brüder befanden, ein paar Frauen kreischten, Jean-François fühlte sich nach vorn gestoßen, er verlor das Gleichgewicht, bekam einen weiteren, besonders kräftigen Schubs von einem dicken Mann, der haltsuchend mit den Armen ruderte; der Knabe durchbrach die erste Reihe, rutschte unter den Gendarmen hindurch, die eine Absperrung zwischen Schaulustigen und Empfangskomitee bildeten, und landete bäuchlings auf der Erde. Er war unglücklich gefallen, oder einer der Gendarmen hatte beim Versuch, den Sturz aufzuhalten, versehentlich sein Gesicht getroffen, jedenfalls spürte der Junge, daß seine Nase blutete. Er wollte sich aufrappeln, da griffen zwei kräftige Hände nach ihm und stellten ihn auf die Füße. »Hast du dir weh getan?« fragte eine Männerstimme, ein Schnupftuch wurde ihm vors Gesicht gehalten, und als Jean-François aufsah, erblickte er den Präfekten. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl durchfuhr den Knaben.
    »Monsieur, Euer Schnupftuch … es wird schmutzig …«, stammelte er.
    Der Präfekt winkte ab. »Das macht nichts«, sagte er mit einer angenehm sonoren Stimme. »Hattest du es wirklich so eilig, mich zu sehen, daß du deine Nase aufs Spiel setzen mußtest?« Einige der Umstehenden lachten.
    »Ja, Monsieur«, erwiderte Jean-François.
    »Und?« Der stämmige Mann breitete seine Arme aus. »Was ist so Besonderes an mir?«
    »Sie haben – Sie haben wirklich die Hieroglyphen gesehen? Ich meine: richtige Hieroglyphen?« Jean-François kam sich schrecklich dumm vor. Da stand er Auge in Auge mitFourier, eine einzigartige Gelegenheit, den Mann mit gescheiten Worten zu verblüffen und auf sich aufmerksam zu machen, aber er stellte Fragen wie ein Dorfschüler.
    »Nanu, du interessierst dich für Hieroglyphen?«
    »Ja, Herr Präfekt – das heißt, ich würde mich dafür interessieren, aber ich habe noch nie welche zu Gesicht bekommen.« Jetzt wird er sich umdrehen und weggehen, dachte Jean-François.
    Aber Fourier schaute dem Knaben forschend ins Gesicht. Er sieht aufgeweckt aus, dachte der Mathematiker, er hat einen intelligenten Blick. Aber irgend etwas an seinen Augen ist merkwürdig. Laut fragte er: »Wie heißt du?«
    »Jean-François Champollion.«
    In diesem Augenblick erschien Jacques-Joseph an seiner Seite. »Er ist mein Bruder, Bürger Präfekt«, sagte er und grüßte mit einer leichten Verbeugung den ebenfalls hinzugetretenen Bürgermeister, der etwas ungehalten auf jenen Knaben schaute, dessen Sturz seine Rede unterbrochen hatte.
    »Er sagt, er interessiere sich für Hieroglyphen.«
    »Das stimmt«, bestätigte Jacques-Joseph, »er ist ein sehr begabter Junge, er spricht jetzt schon fließend Latein und Griechisch, und er liest auch Hebräisch.«
    »Ihr habt mir gar nicht erzählt, daß Ihr einen so talentierten Bruder habt«, ließ sich Renauldon vernehmen, »aber ich glaube, der Bürger

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